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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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Schauspiel abwenden.
    Zeke hatte die ersten Schritte gemacht. Er taumelte zwischen die Reihen und schrie wie ein abgestochenes Schwein, als die Hiebe seine weiße, dünne Haut aufrissen. Clarissas Magen hob sich, während sie ihn zu Boden gehen sah. Die tobenden Indianer schlugen unentwegt auf ihn ein. Dann, einen endlos langen Augenblick später, kam er wieder schwankend auf die Beine. Sein Kopf war blutüberströmt.
    Clarissa ballte ihre Hände so fest, dass die abgebrochenen Nägel ihr ins Fleisch schnitten. Zeke war fraglos ein schlechter Mensch. Er hatte Tom Ainsworth ermordet und sie selbst mit den schlimmsten Absichten aus dem Fort entführt. Dennoch, verdiente er – oder irgendein menschliches Wesen – einen so grauenhaften Tod?
    Sie hörte ihn brüllen, als er fast am Ende der Reihe erneut zu Boden ging. Diesmal kam er nicht mehr hoch. Nur das rasende Wirbeln der inzwischen blutbesudelten Knüppel zeigte die Stelle an, wo er lag. Einen Augenblick später erstarben auch seine Schreie.
    Schwindelig vor Angst ließ Clarissa sich von ihrem Guckloch zurücksinken und presste die eiskalten Hände vors Gesicht. Schon bald würde sie an der Reihe sein, den Spießrutenlauf über sich ergehen zu lassen. Dabei hatte sie gerade gesehen, wie ein Mann, der doppelt so groß und dreimal so stark war wie sie, es nicht überstanden hatte. Zitternd sank sie in sich zusammen und sah im Geiste die blutigen Knüppel und die erbarmungslosen Hiebe …
    "Jetzt weißt du, weshalb ich dich bat, nicht hinauszuschauen", hörte sie Wolf Hearts leise Stimme hinter sich im Schatten. Sie hob den Kopf, drehte sich um und sprang auf. Ein unbeschreiblicher Zorn hatte sie gepackt.
    "Wie bist du hier hereingekommen?" herrschte sie ihn an und ging mit den Fäusten auf ihn los. "Du wusstest davon … Die ganze Zeit wusstest du, was mich erwartet! Warum hast du mich nicht einfach ertrinken lassen?"
    "Bleib ruhig, Clarissa." Er fasste ihre Handgelenke und hielt sie fest. Seine blauen Augen glitzerten im Halbdunkel wie die Augen eines Raubtiers.
    "Wie kann ich ruhig bleiben!" stieß sie verzweifelt hervor. "Diese Leute … deine Leute, wie du behauptest … Frauen und Kinder! Das ist alles so barbarisch …"
    "Hör mir zu!" Seine Arme umschlossen ihre mit stählernem Griff und erstickten ihre Kampfbereitschaft. "Wir haben nicht viel Zeit! Sie werden dich gleich holen."
    "Das verdanke ich dir!" Aus ihrem Blick loderten Angst und Zorn. "Warum hast du mich nicht darauf vorbereitet?"
    "Genau das versuche ich ja zu tun." Sein Griff um ihre Arme war so fest, dass es beinahe wehtat. "Hör mir gut zu, Clarissa. Der Spießrutenlauf soll dich prüfen, nicht töten, verstehst du mich?"
    Bestürzt sah sie zu ihm auf.
    "Die Shawnee schätzen Mut und Tapferkeit über alles. Zeig ihnen, dass du beides besitzt." Sein Griff wurde noch fester. "Was immer geschieht, wie hart die Schläge auch sein mögen, gib keinen Laut von dir. Darin besteht die Prüfung. Wenn du nicht schreist, wirst du in Ehren weiterleben."
    In Ehren? War es vielleicht eine Ehre, Sklavin und Gefangene zu sein? Sprachlos vor Wut starrte Clarissa Wolf Heart an. Er hätte sie freilassen können. Stattdessen unterzog er sie dieser Brutalität!
    "Ich werde leben!" Bebend vor Zorn riss sie sich von ihm los. "Ich werde dies und noch mehr überleben! Ich werde leben und dafür sorgen, dass du den Tag verfluchst, an dem du mich gefangen hast, Seth Johnson!"
    Sie wirbelte herum, schlug den ledernen Vorhang beiseite und trat hinaus ins Sonnenlicht. Jetzt gab es für sie kein Halten mehr. Sie, Clarissa Rogers, würde nicht zulassen, dass man sie wie ein Lamm zur Schlachtbank schleifte. Den Zeitpunkt ihrer Prüfung wollte sie selbst bestimmen: Nun war er gekommen.
     
    Wolf Hearts Herz brannte vor Sorge um Clarissa. Er hatte ihren Zorn entfacht, und das war gut so. Aber würde es reichen?
    Er hatte gestandene Männer, selbst kampfgestählte Irokesenkrieger unter den erbarmungslosen Schlägen des Spießrutenlaufs zu Boden gehen sehen. Sie dagegen war nur ein Mädchen, ein zartes, bezauberndes Geschöpf. Was, wenn er sie überschätzt hatte? Wenn er sie vor dem Ertrinken errettet hätte, nur um sie hier einem viel grausameren Schicksal auszuliefern?
    Der vielstimmige Aufschrei draußen verriet ihm, dass man Clarissa gesehen und ergriffen hatte. Er wappnete sich mit vorgetäuschtem Gleichmut und trat aus der Hütte.
    Die Morgensonne stieg gerade über die Wipfel der Bäume. In ihrem goldenen Licht sah er die

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