Die Braut des Shawnee-Kriegers
Ihre Köpfe waren kahl geschoren. Nur eine schmale Bürste zog sich über ihren Scheitel. Sie bewegten sich wie Schatten, wie Raubtiere auf der Pirsch.
" Mingwe – Irokesen!" Swan Feathers verächtliches Flüstern bestätigte ihre eigene Vermutung. "Beweg dich nicht."
Clarissa drückte sich tiefer in das dornige Gebüsch und wünschte inbrünstig, Wolf Heart hätte nicht ausgerechnet jetzt das Dorf verlassen. Was, wenn noch mehr von diesen Indianern in dem Wald steckten, womöglich ein ganzer Kriegstrupp?
Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Sie versuchte sich zu erinnern, was sie in Fort Pitt über die Irokesen gehört hatte. Es handelte sich bei ihnen eher um eine Volksgruppe als um einen Stamm, und sie waren die mächtigsten Indianer der ganzen Gegend. Ihr Herz machte einen Satz, als ihr einfiel, dass die Irokesen – im Gegensatz zu den Shawnee – Verbündete der Engländer waren … Freunde! Sie brauchte nur zu rufen und sich zu erkennen zu geben. Vielleicht würden die Irokesen sie dann mitnehmen und in der Hoffnung auf eine Belohnung zum nächsten britischen Vorposten bringen.
Aber was würden sie mit Swan Feather tun? Und mit den Menschen im Shawnee-Dorf?
Zwei weitere Indianer kamen aus dem Wald und gesellten sich zu den anderen. Aus ihrem Versteck konnte Clarissa sie jetzt deutlich sehen. Ihre Gesichter waren schauerlich mit Kriegsfarben bemalt. Sie waren mit Sicherheit auf einem Raubzug, und sie würden auf ihr überraschendes Erscheinen setzen, um einen vernichtenden Angriff auszuführen und sich dann blitzschnell wieder zurückzuziehen. Jeden, der sich ihnen in den Weg stellte, würden sie töten.
Die fünf verschwanden wieder unter den Bäumen und schlichen in ihrem Schatten am Rand der Wiese entlang, wobei sie immer näher kamen. Clarissas Blick glitt zu Swan Feather. Das schüttere graue Haar der alten Frau und ihr wettergegerbtes Lederkleid verschmolzen fast mit den gesprenkelten Farben des Dickichts. Swan Feather war hier so gut getarnt wie ein brütendes Waldhuhn. Clarissas helles Kleid und ihr flammend rotes Haar hingegen wirkten wie eine Signalflagge. Nur ein Blinder konnte sie übersehen, und die Irokesen hatten vermutlich Adleraugen. Wenn sie sie entdeckten, dann fanden sie auch Swan Feather, und es gab für sie keinen Grund, eine alte Shawnee-Squaw am Leben zu lassen, wenn ein einziger Hieb sie für immer zum Schweigen brachte.
Clarissa hatte keine Zeit zu verlieren. Vorsichtig schob sie sich von Swan Feather weg, wobei sie der alten Frau mit Blicken und Gesten zu verstehen gab, sich still zu verhalten und an Ort und Stelle zu bleiben. Inzwischen waren die fünf Krieger auf Schussnähe herangekommen und näherten sich immer mehr. Dornen rissen an Clarissas Kleid und stachen ihr in die Haut, während sie an den Boden gepresst weiterkroch. Sie wollte so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Swan Feather bringen. Dann, wenn sie sich nicht länger verstecken konnte, würde sie aufspringen und losrennen.
Aber wohin? Wenn sie sich in die Gewalt der Irokesen begab, würden sie sie wahrscheinlich festhalten, während sie das Dorf überfielen. Wenn sie aber dorthin rannte, um die Bewohner zu warnen, riskierte sie einen Pfeil zwischen ihren Schulterblättern oder Schlimmeres.
Eine Elster schrie heiser von der Spitze eines abgestorbenen Hickorybaums. Erschrocken hob Clarissa den Kopf. Die plötzliche Bewegung ihres flammenden Haares genügte, um die Aufmerksamkeit des vordersten Kriegers zu erregen. Im nächsten Augenblick stürmten alle fünf in ihre Richtung, um sie zu hetzen wie eine Hundemeute ein waidwundes Reh.
Clarissa raffte sich auf, wirbelte herum und rannte los. Ohne auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, rannte sie direkt auf das Dorf zu.
Ein Pfeil surrte an ihrem Ohr vorbei und blieb zitternd in einem Baumstamm stecken. Hatte der Krieger sie verfehlt, oder war es ein Warnschuss gewesen? Jetzt wäre fraglos der richtige Zeitpunkt gewesen, sich umzudrehen, die Hände zu heben und Engländer! Freund! zu rufen. Aber Clarissas Füße rannten einfach wie von selbst weiter. Sie musste das Dorf erreichen und die Menschen dort warnen.
Das Herz wollte ihr in der Brust zerspringen, während sie im Zickzack durch die Büsche hetzte. Die Krieger holten rasch auf, und wenn sie sie erwischten, würde es keine Gnade geben. Engländerin oder nicht, sie hatte offen gezeigt, auf wessen Seite sie stand.
Einer ihrer Mokassins verfing sich in einer Wurzel. Sie stolperte und konnte
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