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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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Zeichen? Musste er erst zurück ins Dorf und diese Angelegenheit mit Clarissa klären? War das der Preis, den der Wolf von ihm forderte?
    Weshemoneto, Herr über Leben und Tod, hilf mir! betete Wolf Heart stumm und mit geschlossenen Augen. In diesem Moment spürte er, wie der Boden unter ihm nachgab. Die vom Regen aufgeweichte Erde am Rand der Höhle war unter seinem Gewicht ins Bröckeln gekommen. Mit einem schmatzenden Geräusch brach die Kante ab, stürzte den fast senkrechten Abhang hinab und riss Wolf Heart mit sich.
    Halb betäubt vor Schreck und Hunger versuchte er verzweifelt, das Gleichgewicht zu halten, doch die hinabstürzenden Erdmassen zogen ihn von den Füßen. Inmitten von Schlamm und Steinen stürzte er um sich schlagend hinab. Es wurde dunkel um ihn, er bekam keine Luft mehr. Zeit und Raum verloren ihre Bedeutung.
    In diesem Augenblick stellte die Vision sich ein. Sie kam mit einer so überwältigenden Klarheit, dass Wolf Heart sie bis ans Ende seiner Tage nicht vergessen würde.
    Es begann mit Wasser, reinem, kristallklarem, von Leben wimmelndem Wasser. Zuerst war es nur ein Bach, dessen glitzernde Wellen über Grasbüschel und Steine hüpften. Und dann, als flöge er auf den Schwingen eines Adlers, sah er ihn von hoch oben, sah, wie er sich durch das Tal schlängelte, sich mit anderen Bächen und Flüssen vereinigte und immer breiter wurde, bis er zu einem gewaltigen Strom angeschwollen war. Als er die ganze Länge und Breite des Stroms in vollem Umfang erkannte, wusste er, dass er auf den "wunderschönen Fluss", den Ohio-se-pe hinunterblickte.
    Noch während die Schönheit des Flusses ihm fast den Atem nahm, fiel plötzlich ein Schatten über das Land. Sein Herz krampfte sich zusammen, als er die dunkle Blutwelle sah, die sich durch den Flusslauf wälzte und sich von Osten her in alle Richtungen ausbreitete. Erschrockene Vögel flogen auf, um gleich darauf wie gefiederte Steine abzustürzen, währenddessen grausiger Dunst die Luft verpestete. Tote Fische trieben mit dem Bauch nach oben in dem sterbenden Fluss. Rehe, Bären und Berglöwen rannten um ihr Leben, als die Dunkelheit sie wie ein hungriges Monster einholte. Plötzlich sah Wolf Heart, dass das Land brannte. Gelbe Flammenzungen leckten darüber hin, tanzten und wanden sich über den verkohlten Boden. Rauch schwängerte die Luft und drang ihm in die Lungen. Er würgte und rang nach Atem.
    Im Westen in weiter Ferne erhob sich eine Gestalt. Aus den Rauchwolken schälte sich ein junger Mann, groß und gut gebaut, mit langem schwarzen Haar und angenehmen Gesichtszügen. Es war ein Shawnee. Er drang mit großen Schritten unerschrocken in das brennende Land ein, und Wolf Heart hörte den Wind dessen Namen flüstern. Sein Klang brauste durch Wolf Hearts Geist und verlosch dann wieder wie eine Flamme – erst viele Jahre später würde er sich wieder an diesen Namen erinnern.
    Tecumseh …
    Während der athletische junge Mann durch das verwüstete Land zog, erhoben sich andere und folgten ihm – Ströme von Shawnee, Creek, Delaware und Krieger von anderen Stämmen, die Wolf Heart nicht kannte. Aber er verstand ihre Absicht und wusste, wie schlecht ihre Chancen standen. Kaum hatten sie sich über das Land ergossen, verschlang die brennende Schwärze sie. Wolf Heart sah, wie die Krieger einer nach dem anderen fielen, wie schließlich auch der kraftvolle junge Krieger, die letzte Hoffnung der Shawnee, taumelte, zu Boden sank und in der Dunkelheit verschwand.
    Was dann folgte, war noch schwärzer und hoffnungsloser als alles vorher. Langsam, wie das Sterben der Blätter im Herbst, schrumpften die Wassermassen und zogen sich entgegen ihrem natürlichen Lauf zurück. Es blieb nichts zurück als die trockenen, steinigen Flussbetten. Wolf Heart sah, wie die Schatten der Shawnee, der Delaware, der Cherokee, der Creek und sogar der Irokesen mit dem Wasser zurückwichen, und er war sich sicher, dass er die Zukunft sah. Er wusste, dass die Menschen, mit denen er sich im Geist verbunden fühlte, gegen die Menschen kämpften, von deren Blut er stammte. Und es bestand kein Zweifel darüber, wie dieser Kampf enden würde.
    In tiefer Verzweiflung wandte Wolf Heart sich ab und fand sich an der Stelle wieder, wo er abgestürzt war. Er sah sich selbst blutend und regungslos, halb bedeckt von Erdreich und Geröll. Wenn sein Geist sich entschloss, in den reglosen Körper zurückzukehren, würde er all das Leid erleben, das die Vision ihm gezeigt hatte. Nur wenn er

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