Die Braut des Shawnee-Kriegers
Wildlederköcher, der von einer Dachsparre hing. Die blank geputzte Steinschlossmuskete lehnte in einer Ecke an der Wand, daneben eine leere Büffelledertasche und das Zaumzeug seines Pferdes, das er offenbar in Eile neben der kalten Feuerstelle abgelegt hatte. Sein vertrauter Duft hing noch in der Luft – sauber, irgendwie würzig und so männlich, dass sich ein seltsames Gefühl in ihrem Körper regte. Ihr Atem ging schneller, als sie sich dessen bewusst wurde. Sie wollte Wolf Heart, seine Berührung, seine tiefe, liebkosende Stimme. Sie wollte ihn haben, hier und jetzt.
Zwischen Gefühl und Verstand hin und her gerissen, ließ sie die Türklappe fallen und wandte sich zum Gehen. Es ist noch zu früh, sich Sorgen zu machen, beruhigte sie sich selbst. Wolf Heart war ein Krieger, stark und klug, und dies war immerhin erst der fünfte Tag seiner Suche.
Dennoch hatte irgendetwas sie in der Stille der Morgendämmerung geweckt, etwas Dunkles, Angsteinflößendes. Clarissa konnte ihr Unbehagen nicht länger ignorieren.
Sie musste Cat Follower suchen.
Die Junggesellenhütte des jungen Kriegers stand am anderen Ende des Dorfs. Im raschen Lauf passierte Clarissa die Ratshütte und den Pferdepferch. Sie schreckte einen braunen Hund auf, der zu bellen begann, und alle Köter im Dorf fielen ein. Ohne sich weiter um den Lärm zu kümmern, stürmte sie zu Cat Followers Hütte und schlug mit Schwung die Lederklappe zur Seite.
Der Lichtschein beleuchtete zwei Gestalten unter den zerwühlten Decken. Das Mädchen, dem das schwarze Haar zerzaust ins Gesicht hing, schnaufte unwillig und kuschelte sich tiefer in die Decken. Cat Follower dagegen schien Clarissas Aufregung zu spüren. Er stützte sich auf einen Ellbogen und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
Er ahnte sofort, worum es ging. "Mein Bruder ist nicht zurückgekehrt?"
"Irgendetwas ist passiert … etwas Schlimmes. Ich spüre es hier!" Sie berührte die Stelle über ihrem Herzen und unterstrich ihre Worte mit unsicheren Brocken auf Shawnee.
Einen Augenblick befürchtete sie schon, Wolf Hearts Freund würde sie auslachen. Doch da hatte sie ihn falsch eingeschätzt. Er blinzelte, um völlig wach zu werden, setzte sich auf und streckte seine langen Beine unter der Decke hervor. "Einen Moment." Man merkte ihm an, dass er es jetzt eilig hatte. "Warte draußen. Ich komme sofort."
Als Clarissa begriff, dass er nackt war, errötete sie, stolperte verlegen aus der Hütte und ließ die Lederklappe fallen. Ein paar Sekunden später erschien Cat Follower und befestigte noch im Gehen seinen Lendenschurz. Eine Muskete, ähnlich der in Wolf Hearts Hütte, hing an einem Lederriemen über seiner Schulter, und an seiner Hüfte hing ein Messer in einer mit Perlen bestickten Scheide.
"Weißt du, wo er ist?" fragte Clarissa.
"Ich kenne den Ort, eine Höhle oberhalb des Flusses. Ich gehe jetzt hin."
"Ich komme mit", erklärte Clarissa. "Ich muss dich begleiten."
Cat Follower zögerte. Stirnrunzelnd musterte er sie, als überlegte er, ob sie sich nicht vielleicht überschätzte. Dann nickte er langsam. "Na gut, komm mit. Aber mach dich gefasst auf …" Er wandte sich ab, ohne den Satz zu beenden. Sein Schweigen machte Clarissa mehr Angst als alles, was er hätte sagen können.
Sie hatte Mühe, seinen langen Schritten zu folgen, als sie das Dorf hinter sich ließen und rasch dem Wald zustrebten. Der Weg führte durch hohes und dichtes Gestrüpp. Tau tropfte von den Blättern und durchweichte ihre Haare und ihr Kleid. Entschlossen unterdrückte sie das Verlangen, Cat Follower mit weiteren Fragen zu bombardieren. Der junge Krieger wirkte so schweigsam und grimmig, dass sie sich vor den Antworten auf ihre Fragen fürchtete.
Die Höhle lag kaum eine Stunde vom Dorf entfernt. Cat Follower sah als Erster die Stelle, wo das Erdreich offensichtlich ganz frisch heruntergebrochen war. Wie angewurzelt blieb er stehen und starrte mit Entsetzen auf den Haufen aus Sand, Geröll und Schlamm am Fuß des Abhangs. Clarissa keuchte bestürzt auf, als sie neben ihn trat und ebenfalls den Erdrutsch sah.
"Warte hier." Er streckte den Arm aus, um sie zurückzuhalten. Doch Clarissa stürzte an ihm vorbei, ohne an die Gefahr zu denken, oder daran, was sie möglicherweise vorfand. "Wolf Heart!" schrie sie aus Leibeskräften. " Wolf Heart!"
10. Kapitel
Es war Clarissa, die ihn zuerst entdeckte. Wolf Heart lag unter einem Haufen Morast und Geröll. Nur ein Bein, ein Arm und die Schulter und linke Seite
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