Die Braut des Shawnee-Kriegers
ging White Moon neben ihr her. "Diese beiden kleinen Schlingel haben am Spielfeldrand gelauert, und als du an ihnen vorbeiliefst, haben sie sich auf dich gestürzt. Aber keine Sorge, morgen spielen sie auf deiner Seite."
"Glaubst du wirklich, dass wir eine Chance haben, das Spiel zu gewinnen?" Clarissa blickte geradeaus und mied White Moons offenen, freundlichen Blick. Sie wusste, dass es notwendig war, Interesse an dem Spiel zu heucheln, aber trotzdem hasste sie sich dafür.
"Wir haben gute Chancen", wurde ihr versichert. "Besonders weil Wolf Heart diesmal nicht mitmacht."
"Ist er ein guter Spieler?" fragte Clarissa, und jetzt war ihr Interesse echt.
"Oh ja!" Wieder lachte White Moon. "Er ist der beste Spieler des Dorfs. Seit fünf Jahren führt er die Mannschaft an, und seitdem mussten wir immer das Feuerholz sammeln." Sie kniff die Augen zusammen. "Was für ein Jammer, dass du nicht gegen ihn antreten kannst. Ich bin sicher, es würde dir Spaß machen, selbst wenn wir verlören."
Als ihr aufging, was White Moon damit andeuten wollte, stieg ihr die Röte in die Wangen. Sie konnte sich den Klatsch in der Mondhütte und auf den Feldern des Dorfs gut vorstellen. Was mochten sich die Leute über sie und Wolf Heart erzählen?
Bevor sie sich eine Antwort zurechtgelegt hatte, berührte White Moon ihren Arm. "Warte hier", bat sie. "Ich habe noch etwas für dich."
Sie lief zum Rand der Lichtung, auf der das Spielfeld lag. Als sie zurückkam, hatte sie eine kleine Lederrolle in der Hand. "Für dich", sagte sie und reichte sie Clarissa.
Clarissas Herz sank, als sie White Moons Geschenk auseinander rollte. Es war ein kurzes Lederkleid – von der gleichen Art, wie es auch die anderen Frauen beim Spiel trugen.
Sie ließ das knappe Kleidungsstück so zaghaft zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln, als hätte White Moon ihr ein totes Eichhörnchen geschenkt. Heiße Röte schoss ihr in die Wangen bei dem Gedanken, dieses Ding zu tragen, selbst wenn sie allein wäre. "Ich danke dir." Sie bemühte sich, liebenswürdig und gleichzeitig aufrichtig zu sein. "Obwohl ich nicht sicher bin, ob es das richtige Geschenk für mich ist."
"Du musst es nicht tragen", versicherte White Moon verständnisvoll. "Ich weiß, dass es bei den Weißen eine Schande ist, wenn eine Frau ihren Körper zur Schau stellt. Aber so etwas gibt es bei uns nicht. Wir tragen diese Kleider, damit wir uns beim Spiel frei bewegen können und der Gegner uns nicht so festhalten kann, wie es dir heute ergangen ist."
"Ich … es tut mir Leid", stammelte Clarissa und kam sich albern vor. "Um nichts in der Welt möchte ich dich kränken, aber ich kann nicht … Wirklich, ich kann einfach nicht …"
Mit unsicheren Fingern rollte sie das Leder wieder zusammen und hätte es White Moon zurückgegeben, wenn diese sie nicht mit einer sanften Geste daran gehindert hätte.
"Du kränkst mich nicht. Behalte mein kleines Geschenk. Wenn du deine Meinung änderst, kannst du es benutzen. Wenn nicht, werde ich es verstehen."
"Du bist zu gut zu mir. Alle hier sind viel zu gut zu mir." Verlegen strich Clarissa über das zusammengerollte Kleid. Was sie mit ihrer Bemerkung ausdrücken wollte, ging viel tiefer, als White Moon sich vermutlich vorstellen konnte. Hätten die Shawnee sie grausam behandelt, dann wäre alles viel leichter. Sie würde sich innerlich nicht so zerrissen fühlen, sondern hätte sie einfach hassen können.
"Wenn du mehr Güte empfängst, als du brauchst, dann gib einen Teil davon weiter. Das, meine Tochter, ist es, was unsere Urmutter von uns erwartet." Für einen kurzen Augenblick drückte White Moon Clarissas Handgelenk. Dann wandte sie sich mit einem Lächeln ab und ging über das Feld zu der Stelle, wo ihr Mann noch immer mit Wolf Heart stand.
Als sie ein paar Schritte gegangen war, warf sie einen Blick über die Schulter zurück. Clarissa begriff, dass es eine Einladung war, ihr zu folgen. Hastig schüttelte sie den Kopf und ging in entgegengesetzter Richtung davon. Seitdem Wolf Heart Swan Feathers Hütte verlassen hatte, war ihr Verhältnis gespannt. Sie ertappte sich dabei, dass sie ihn mied, wenn sie durchs Dorf musste. Obwohl sie sich danach sehnte, ihm zu begegnen, ging sie ihm aus dem Weg. Die Erinnerung an seine leidenschaftlichen Küsse verfolgte sie Tag und Nacht. Manchmal war das Bedürfnis nach seiner Nähe so stark, dass sie hätte schreien können. Aber sie wusste, dass sie diesem Verlangen nicht nachgeben durfte. Sie durfte nicht
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