Die Braut des Shawnee-Kriegers
zulassen, dass ihre Liebe zu Wolf Heart sie zur Gefangenen machte.
Die Nachmittagssonne brannte noch immer heiß vom Himmel und trocknete den Schweiß auf ihrer Haut. Während die anderen Frauen noch immer auf dem Spielfeld beschäftigt waren, hatte sie die Möglichkeit, ungestört zu schwimmen. Eilig machte Clarissa sich auf den Weg zum Teich. In den vergangenen Wochen hatte sie jede Gelegenheit wahrgenommen, ihre Schwimmkünste zu vervollkommnen. Obwohl sie vermutlich nie die grazile Anmut der jungen Shawnee-Mädchen erreichen würde und sich auch noch nicht traute, allein von der Felsklippe in den Teich zu tauchen, bewegte sie sich doch schon ziemlich sicher im Wasser. Sie würde es nie wieder fürchten.
Als sie an dem Brombeerdickicht oben auf dem Felsen vorbeikam, zögerte Clarissa. White Moons Geschenk hielt sie immer noch zusammengerollt in der Hand. Sie würde so ein winziges Kleidungsstück natürlich niemals tragen, aber die Neugier ließ ihr keine Ruhe. Wie mochte sie wohl in diesem kurzen Kleidchen aussehen? Und wie würde es sich auf der nackten Haut anfühlen?
Im Shawnee-Dorf war man selten allein. Selbst Swan Feathers Hütte war keine sichere Zuflucht vor neugierigen Blicken. Wenn sie es denn wirklich anprobieren wollte, dann war dies jetzt der beste Augenblick und genau der richtige Platz dafür.
Nachdem sie sich vorsichtig nach allen Seiten umgeschaut hatte, schlüpfte Clarissa ins Gebüsch, wo es eine natürliche Laube bildete, die sich hervorragend als provisorisches Ankleidezimmer eignete. Bis jetzt war sie stets in ihren Kleidern geschwommen, zumindest aber in ihrer Leibwäsche. Das würde sie auch diesmal tun. Sie wollte nur eben das Lederkleid anprobieren und sich dann wieder umziehen, bevor sie den Zickzackweg hinunter zum Teich nahm.
Clarissa kam sich richtig lasterhaft vor, als sie das Geschenk über einen Zweig hängte und dann ihre verschwitzten Kleider auszog. Kleid und Unterwäsche, die sie seit fast zwei Monaten Tag und Nacht trug, waren verschlissen und voller Flecken, die sich nicht mehr entfernen ließen. Clarissa schälte sich beides vom Körper wie eine sich häutende Schlange. Nackt, wie Gott sie schuf, stand sie in dem Dornengebüsch, das gerade zu blühen begann. Die rosa Knospen ihrer Brüste richteten sich auf, als eine leichte Brise über ihre Haut wehte. Die kurzen roten Haare zwischen ihren Schenkeln leuchteten im Sonnenlicht.
Zitternd griff sie nach dem Lederkleidchen und streifte es sich über den Kopf. Ihre Beine und ihre Schulter waren fast nackt. Was für ein seltsames Gefühl, so wenig am Leib zu haben!
Sie hob die Arme und spürte Sonne und Luft auf der Haut, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Ein Schwindel erregendes Gefühl der Freiheit erfasste sie, und sie drehte sich übermütig von einer Seite zur anderen. Wie es wohl war, so über eine Wiese zu laufen, ohne von Korsett und langen Röcken behindert zu werden. Wie abenteuerlich es wäre! Wie herrlich!
Wie undenkbar!
Ein Eichelhäher, der auf einem überhängenden Ast saß, legte den Kopf mit dem prächtigen Gefieder auf die Seite und schaute sie an. Seine aufmerksamen schwarzen Augen schienen jeder Bewegung ihres fast nackten Körpers zu folgen. "Schsch!" Clarissa wedelte mit der Hand, um den lästigen Vogel zu verscheuchen, doch er flatterte nur auf einen höheren Zweig. Dort blieb er sitzen, wippte mit dem Kopf und beschimpfte sie mit seiner heiseren Stimme. Es hörte sich an wie Schäm, schäm, schäm dich!
"Ach, halt doch den Schnabel!" Clarissa warf einen Mokassin nach dem Eichelhäher, eine – wie sich sofort herausstellte – höchst unkluge Aktion. Der Schuh blieb an einem niedrigen Zweig des Baums hängen, gerade außer ihrer Reichweite. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und sich streckte, um ihn zu erreichen, stachen die spitzen Dornen ihr ins Fleisch.
Sie unterdrückte einen Schmerzenslaut und schaute böse hinauf zu dem baumelnden Mokassin und dem Vogel, der zu einem noch höheren Ast geflogen war und sie nun offensichtlich auslachte. Sie war wütend auf sich selbst, aber wie auch immer, sie musste ihren Schuh wiederhaben. Und das würde ihr nicht gelingen, wenn sie tatenlos hier herumstand.
Sie zwang sich zur Ruhe und dachte nach. Wenn sie einen langen Stock hätte, könnte sie ihn damit herunterstoßen. Sie brauchte also nur einen abgebrochenen Ast auf dem Boden zu finden, oder sie riss sich selbst einen ab. Das Dumme war nur, hier in diesem Gebüsch war das nicht möglich.
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