Die Braut des Shawnee-Kriegers
Wälder waren, wie geheimnisvoll und faszinierend die verborgenen Wege. Eines Tages würde sie ihren Kindern davon erzählen, falls sie überhaupt Worte fand, um diese Schönheit zu beschreiben.
Sie hatte die Büffelledertasche am Fuß eines Nussbaums vergraben und die Stelle mit einem großen Stein markiert. Ihr Puls beschleunigte sich bei seinem Anblick, ein Dutzend Schritte von der Lichtung entfernt, wo der Weg sich gabelte und zum Fluss hinunterführte. Mit fliegenden Händen band sie die Stute an einen jungen Baum. Jetzt hatte sie es fast geschafft! In ein paar Minuten würde sie auf dem Pferderücken in die Freiheit galoppieren!
Dann könnte sie die Welt der Shawnee für immer hinter sich lassen.
Sie eilte zu dem Versteck, kniete sich auf den mit Blättern bedeckten Boden und rollte den Stein beiseite. Um an die Tasche zu kommen, brauchte sie nur eine Handbreit Erde wegzukratzen, und dann …
Clarissas Herzschlag setzte aus, als sie mit den Fingern in die weiche Erde griff, tiefer grub, immer tiefer, und nichts fand. Die Büffelledertasche war fort.
"Hast du etwas verloren, Clarissa?"
Die leise, raue Stimme hinter ihr nahm ihr den Atem. Bestürzt fuhr sie herum und sah eine große Gestalt, die in der Sonne stand.
Ihre Flucht war misslungen.
13. Kapitel
Clarissa erstarrte am Fuß des Baums. Sollte sie fortlaufen, um Gnade flehen, oder es mit einem Trick versuchen? Gegen das grelle Sonnenlicht war Wolf Heart nur als Silhouette zu sehen. Von der Helligkeit geblendet, konnte sie seine Miene nicht erkennen, aber sie konnte sich gut vorstellen, dass sein Gesicht zur kalten, wütenden Maske gefroren war. Zum ersten Mal seit ihrer allerersten Begegnung hatte sie Angst vor ihm.
"Was machst du hier?" flüsterte sie erstickt. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
"Dieselbe Frage könnte ich dir stellen." Die Worte hätten in Stein gemeißelt sein können, so ausdruckslos war seine Stimme. "Hast du dies hier gesucht?"
Er hielt ihr etwas hin, das sie gegen die Sonne zuerst nicht erkannte. Aber dann begriff sie, dass es die Büffelledertasche war. "Ja." Ihr war klar, dass es keinen Zweck mehr hatte, jetzt noch zu lügen. "Das habe ich gesucht."
"Und das ist die Antwort, die du Swan Feather geben wolltest?"
"Ja."
"Du hättest es mir schon gestern Abend sagen können." Der Zorn verdunkelte seine Stimme.
"Und was hättest du dann getan?" fragte sie herausfordernd. "Hättest du mich gehen lassen? Oder hättest du mich zusammengeschnürt wie etwas, das dir gehört?"
"Du gehörst mir nicht."
"Ich gehöre Swan Feather."
"Es ist ihr Wunsch, das zu ändern."
"Warum hat sie mich dann nicht selbst gefragt?" begehrte Clarissa auf. "Warum hat sie es dir überlassen?"
"Weil es ihr gar nicht in den Sinn gekommen wäre, dass du dich nicht über diese Ehre freust und stolz darauf bist", antwortete Wolf Heart ruhig.
"Und was wirst du jetzt mit mir tun?" Sie richtete sich auf und stand zitternd vor ihm. Nur ihr Blick war trotzig und herausfordernd.
Statt einer Antwort warf er einen Blick über die Schulter zurück. Erst jetzt bemerkte Clarissa das Pferd. Es war ein kleiner, aber stämmiger Falbe, der friedlich graste. "Die Stute, die du genommen hast, gehört Hunts-at-Night", sagte Wolf Heart. "Es ist das Lieblingspferd seiner Frau, und sie wären beide traurig, es zu verlieren. Ich habe dir ein anderes Pferd gebracht. Es gehört mir."
Clarissa griff sich mit der Hand an den Hals. Sie starrte ihn an, als wäre ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden, als fiele sie in ein tiefes Loch, das sie selbst gegraben hatte. "Soll das heißen, dass ich gehen kann?" fragte sie. Sie glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu dürfen.
"Würde es einen Sinn haben, dich aufhalten zu wollen?" Er wandte sich ein wenig zur Seite, so dass der Winkel des Lichteinfalls sich änderte, und jetzt konnte sie sein Gesicht klar erkennen. Sie sah die nur mühsam unterdrückte Qual darin.
"Würdest du mich denn aufhalten wollen?" fragte sie und wusste plötzlich, dass es genau das war, was sie sich wünschte. Sie wollte, dass er sie aufhielt. Das hatte sie sich die ganze Zeit gewünscht – ein Leben mit diesem Mann, wie immer dies auch beschaffen wäre.
Doch er musste es aussprechen, oder ihr zumindest ein Zeichen geben, dass er sie wollte. Andernfalls hatte sie keine andere Wahl als fortzugehen.
"Da ist das Pferd", sagte er. "Nimm es und geh. Du bist frei."
"Und Swan Feather?" Sie zögerte, wartete, hoffte.
"Sie würde dich nicht gegen
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