Die Braut des Shawnee-Kriegers
sie plötzlich aufforderte, sich zu erheben. Da die Adoption ja eine Überraschung für sie sein sollte, durfte sie sich nichts anmerken lassen. Sie stand auf und bereitete sich darauf vor, erstaunt und überrascht zu wirken.
"Du hast unter uns gelebt und unsere Sitten und Gebräuche kennen gelernt." Das vernarbte Gesicht des Häuptlings wirkte ernst, doch seine Stimme war freundlich. "Ist es dein Wunsch, als Swan Feathers Tochter bei den Shawnee zu bleiben?"
Clarissa schaute hinab in das strahlende Gesicht der alten Frau. Noch vor ein paar Augenblicken hatte sie gedacht, sie würde Rührung vortäuschen müssen, doch jetzt, als sie aller Augen auf sich spürte, waren ihre Gefühle nur zu echt. Diese Menschen, die so wenig besaßen, boten ihr alles, was sie hatten – ihren Beistand, ihre Liebe, ja, sie nahmen sie sogar in ihre Familie auf. Tränen traten ihr in die Augen, als sie nickte und mit belegter Stimme "ja" flüsterte.
Über das strenge Gesicht des Häuptlings huschte ein Lächeln. "Dann soll es so sein", sagte er. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ging zur Tür. Es entstand ein Gedränge in der Hütte, als alle Männer und Jungen – auch Wolf Heart –, sich erhoben und dem Häuptling nach draußen folgten. Zurück blieben nur die Frauen und Mädchen, die sich erwartungsvoll um Clarissa scharten.
Clarissa stand vor ihnen und fragte sich, was sie jetzt tun sollte. Swan Feathers runzliges Gesicht erhellte ein zahnloses Grinsen. Ein paar der jüngeren Mädchen kicherten. Der unangenehme Knoten in Clarissas Magen löste sich nur ein kleines bisschen, als White Moon mit einem strahlenden Lächeln vortrat.
"Jetzt machen wir aus dir eine Shawnee", verkündete sie.
Wie auf ein stummes Kommando hin stand plötzlich ein halbes Dutzend älterer Frauen vor Clarissa und begann an ihren Kleidern zu zerren. Nur White Moons begütigendes Lächeln hielt sie davon ab, aus der Hütte zu fliehen, als der zerschlissene Stoff zu reißen begann. Zuerst ging der Rock in Fetzen, dann der Unterrock und schließlich das Mieder. Knöpfe sprangen ab und rollten über den Boden, um sofort eifrig von den Frauen aufgesammelt zu werden. Die Zuschauerinnen lachten und riefen Clarissa aufmunternde Worte zu, während der Stoff ihrer Kleider sich in Wohlgefallen aufzulösen schien.
Clarissa rang bestürzt nach Luft, als raue Hände ihr Hemd am Rücken aufrissen und es ihr über die Arme hinabstreiften, so dass sie von der Taille aufwärts nackt dastand. "Halt!" rief sie flehend und kreuzte die Arme vor der entblößten Brust. Alle Anwesenden brachen in schallendes Gelächter aus. Clarissa ahnte inzwischen, worauf dieses Handgemenge hinauslaufen würde. Als die Unterhose in Fetzen ging – das dünne Leinen war inzwischen so fadenscheinig geworden, dass es kaum Widerstand bot –, stand sie nackt und zitternd vor den versammelten Frauen. Ihre Hände waren zu klein, um ihren Körper vor den neugierigen Blicken zu verbergen. Zugegeben, keine von diesen Frauen hatte jemals rotes Haar da unten gesehen, aber mussten sie deshalb so unverhohlen hinstarren?
Auf ein Nicken White Moons hin kamen vier jüngere Frauen herbei, jede von ihnen mit einem kleinen Tontopf in der Hand. Als die erste ihre Finger in den Topf tauchte und eine dicke weiße Lehmpaste auf Clarissas Schultern strich, ging ihr auf, was das bedeutete.
Sie würden sie bemalen, und zwar von Kopf bis Fuß!
Sie zwang sich, stillzuhalten, während die Frauen Farbe auf ihre Haut rieben. Die Zuschauer hatten ein Lied angestimmt, einen hellen, hochstimmigen Gesang, dessen Rhythmus unter die Haut ging – begleitet von klatschenden Händen und dem Schlag einer unsichtbaren Trommel. Als das Lied endete, überzog die weiße Farbe Clarissas gesamten Körper. Alles war bedeckt, ihr Gesicht, ihre Brüste, sogar ihr Haar. Nicht einmal die Fußsohlen waren ausgespart worden.
Clarissa schaute hinab auf den mit Farbklecksen gesprenkelten Lehmboden. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Nur die Anwesenheit White Moons und ihre geflüsterten Worte hielten sie davon ab, in Panik zu geraten. Als sie ihre Bereitschaft, eine Shawnee zu werden, verkündete, hatte sie keine Ahnung gehabt, worauf sie sich da einließ. Doch wenn dies der Preis für Wolf Hearts Liebe war, dann würde sie es durchstehen. Für ihn würde sie alles ertragen.
Der Gesang endete abrupt. In der plötzlich eintretenden Stille stand Clarissa zitternd da und fragte sich, was nun geschehen würde. Sie brauchte nicht
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