Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
Mund,
versuchte zu antworten, doch seine Zunge, schwer wie Blei, wollte ihm nicht
gehorchen.
»Leonhardt, verdammt, gib Laut, ich kann
hier nicht ewig bleiben!«
»Adaras Galan!«, waren die einzigen Worte,
die Leonhardt zustande brachte, bevor ihm die staubtrockene Zunge wieder am
Gaumen festklebte.
Osman hatte genug gehört. Er warf Leonhardt
einen letzten, aufmunternden Blick zu, dann verschwand er wieder in der
Dunkelheit des Ganges. Für einen Augenblick schaute er an den Pfeilern vorbei
hinaus auf den Marktplatz und erschauderte. Robert stand dort, ihm gegenüber
eine beängstigende Übermacht. Wachsoldaten, alle bis an die Zähne bewaffnet und
kampfbereit. Robert war zwar bärenstark, aber ganz sicher nicht unverwundbar,
dennoch schien er gewillt, es auf eine Konfrontation ankommen zu lassen. Zum
ersten Mal hatte Osman Angst um seinen Freund.
*
Auch Robert war nicht wohl zumute bei den gut zwei Dutzend Lanzen,
die allesamt auf seinen Körper gerichtet waren. Bisher war es nicht zum offenen
Kampf gekommen, doch er schien unvermeidlich. Osman brauchte Zeit, um mit
Leonhardt zu sprechen, und diese Zeit war Robert bereit, seinem Freund zu
verschaffen. Erneut gab er ein kehliges Knurren von sich, und wieder schraken
die Soldaten zurück. Keiner von ihnen hatte bislang den Mumm, auf den tumben
Koloss loszugehen.
Leonhardt bewegte seine Lippen, ganz
deutlich für Robert zu erkennen. Gottlob hatten ihm sämtliche Soldaten den
Rücken zugewandt, sodass ihnen diese Geste verborgen geblieben war.
Robert verharrte unschlüssig. Hatte er
Osman genügend Zeit verschafft? Sollte er seine Drohgebärden fortsetzen oder
lieber klein beigeben?
Einige Momente haderte er, da kam Adara von
hinten angerannt und zog ihn weg von der Meute.
»Osman ist in Sicherheit, schnell weg
hier!«, raunte sie ihm zu, bevor sie sich gestenreich bei den Soldaten für
Roberts ungebührliches Verhalten entschuldigte.
Einige Augenblicke später, während die
Soldaten noch rätselten, was sie mit dem Raufbold anfangen sollten, war er
gemeinsam mit Adara in der Menge verschwunden, Osman folgte ihnen.
Junker Gottfried
»Himmel Arsch! Wie viel Kerlen hast du eigentlich noch den Kopf
verdreht?«
»Jeder macht das, was er am besten kann!
Bei Osman ist’s das Köpfchen, bei dir sind’s die Muskeln, und ich bin gut in
Liebesdingen.«
»Aber hast du denn gar kein Schamgefühl?«
Wieder einmal stemmte sie ihre Hände in die
Hüfte, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, und wieder einmal war Robert
sofort verzaubert von dieser Geste. »Andern die Nase zu brechen oder die Zähne
auszuschlagen, ist in deinen Augen also weniger verwerflich?«
»Jedenfalls tut’s nicht so lange weh!«
Adara machte ein Gesicht, als habe sie
nicht richtig gehört. Sie schaute zu Osman, der allerdings so klug war und sich
aus dem Gezanke heraushielt.
»Oh, ein Feingeist, ein Poet gar. Wer hätte
das vermutet unter dieser rauen Schale!«
»Ach, rutsch mir doch den Buckel runter!«
Robert verzog säuerlich die Mundwinkel. Jetzt machte sich das Weibsbild auch
noch über ihn lustig. Am liebsten hätte er sie spüren lassen, was er nach ihrem
Dafürhalten am besten konnte.
»Hört schon auf mit den kleinlichen
Vorwürfen«, wagte Osman, wieder etwas zu sagen. »Auch ihr habt gehört, was
Leonhardt blüht, wenn wir nicht bis morgen Abend seine Unschuld beweisen
können. Schon bald, und es ist Mittag, und bislang wissen wir noch nicht
einmal, wer Adaras Galan wohl sein mag.«
»Die Liste wird lang sein – wer weiß, ob
die Zeit noch reicht«, murmelte Robert.
»Da kommt eigentlich nur Junker Gottfried
infrage«, erwiderte Adara unbeeindruckt. »Er stellt mir nach, seitdem er mich
das erste Mal gesehen hat. Bei der Morgenmesse im Dom war’s, wenn ich mich
recht entsinn.«
»Ein Edler also – wird schwer, an ihn
heranzukommen!«
»Kein Edler, Osman! Gottfried ist von
bürgerlicher Herkunft, sein Vater betreibt die meisten Verhüttungsöfen Goslars.
Dennoch rufen ihn alle Junker, weil er unbedingt Ritter werden will, obwohl’s
von der Geburt her nicht angemessen ist. Er verbringt den ganzen lieben langen
Tag mit Ritterspielen in der Hoffnung, ein Fürst lässt ihn eines Tages doch
noch die Ehre zuteil werden.«
»Und von solch einem armseligen Tropf lässt
du dir den Hof machen?«
»Glaub mir, ich habe ihn nie dazu ermutigt!
Doch was soll ich machen, er hängt an mir wie eine Klette. Offenbar will er’s
nicht wahrhaben, dass ich nicht interessiert
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