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Die Braut des Vagabunden

Die Braut des Vagabunden

Titel: Die Braut des Vagabunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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sich mit gebeugten Armen, denn die Decke war niedrig. Er hatte den vergangenen Abend mit Musik und Plaudereien genossen, aber es war die Begegnung mit Temperance am Nachmittag, an die er jetzt dachte. Er lächelte, als er sich erinnerte, wie sie darauf reagiert hatte, dass er die Kleidung seines Cousins genommen und ihn in Dover zurückgelassen hatte. Ihre Besorgnis schmeichelte ihm.
    Eine halbe Stunde später ging er hinunter in den Kaffeeraum. Der Junge, der bediente, hatte den Boden gefegt und streute nun frische Sägespäne über die Dielen.
    „Guten Morgen, Tom“, sagte Jack.
    „Sir!“ Sofort stellte der Junge seine Sägespäne zur Seite. „In der Stadt gehen Gerüchte über ein Feuer um.“
    „Ein Feuer? Wo ist dein Herr?“
    „Er ist hinausgegangen, um sich umzuhören. Jemand erzählte mir, dass schon dreihundert Häuser brennen“, sagte Tom und folgte Jack zur Tür.
    Das Kaffeehaus lag in Covent Garden, vom Stadtkern ein gutes Stück weit entfernt, doch als Jack hinausging, sah er, dass die Straße für einen frühen Sonntagmorgen außergewöhnlich betriebsam war.
    „Es ist unten an der London Bridge“, ließ sich Tom neben ihm vernehmen. „Sie sagen, die Holländer haben es entzündet. Glaubt Ihr, das stimmt? Ich weiß, Ihr wollt Euch selbst davon überzeugen. Ich komme mit.“
    „Was ist mit deinen Pflichten hier?“, fragte Jack und warf einen Blick auf den nur zur Hälfte gesäuberten Fußboden.
    „Oh, Mr. Bundle wollte nur, dass ich Euch zu Diensten bin“, erwiderte Tom. „Jetzt, da Ihr aufgestanden seid, kann ich mich überall um Euch kümmern. Und ich bin sicher, dass Ihr gern das Feuer sehen wollt.“
    Jack lachte. „Dann hol mir etwas Brot und Käse. Ich kann essen, während wir gehen, aber mit leerem Magen kann ich mir kein Feuer ansehen.“
    „Jawohl, Sir.“ Tom stürmte in die Küche.
    Nachdenklich runzelte Jack die Stirn, bevor er ging, um seinen Degen zu holen. Gerüchten schenkte er gewöhnlich nicht viel Glauben – am Ende eines heißen Sommers war die Gefahr eines Feuers stets gegenwärtig in der überfüllten Stadt mit ihren Holzhäusern – aber er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, stets auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Falls die Holländer einen Angriff auf London planten, so wollte er ihnen nicht unbewaffnet gegenübertreten.
    „Sogar die Tauben brennen.“ Tom war den Tränen nahe.
    „Ja.“ Jack sah, wie eine Taube zu nahe über dem vertrauten Schlag kreiste. Ein plötzlicher Flammenstoß versengte ihr die Flügel, und sie stürzte hinab in die raucherfüllte Luft.
    „Warum flog sie nicht einfach weg?“, fragte Tom.
    „Ich weiß es nicht. Die meisten haben es getan.“ Diesen kleinen Trost bot Jack an, ohne den Blick von den entsetzlichen Szenen um sie herum abzuwenden.
    Sie fuhren mit einem Leichter auf der Themse. Jack bedeckte Nase und Mund mit seinem Taschentuch. Er hörte Tom neben sich husten. Die Wasseroberfläche war bedeckt von Gegenständen, die aus den überladenen Booten in ihrer Nähe gefallen waren. Ein Stuhl schlug gegen die Bootswand. Jack schob ihn weg.
    „Das ist die Hölle auf Erden“, keuchte Tom. „So lautete die Prophezeiung: Es ist das Jahr des Tieres!“
    „1666“, murmelte Jack. „Dreimal die Sechs.“ Er wusste, viele Almanachschreiber hatten vorhergesagt, dass dies ein besonderes Jahr sein würde. Aber ehe er den Beweis für das Gegenteil hatte, würde er weiterhin davon ausgehen, dass das Feuer von Menschen verursacht worden war – entweder absichtlich oder durch einen Unfall.
    „Ich habe hier genug gesehen“, sagte er zu dem Fährmann. „Bringt uns weiter den Fluss hinauf.“
    In den Straßen herrschte wildes Durcheinander. Immer wieder versperrten Menschen, Karren und Pferde Temperance den Weg. Vor ihr ging ein Mann mit einem großen Packen auf dem Rücken, dann stolperte und stürzte er. Dabei ging eines seiner Bündel auf. Scherben, Löffel und eiserne Pfannen fielen klappernd auf das Pflaster. Ehe Temperance ihre Hilfe anbieten konnte, richtete der Mann sich auf und sammelte ein, was nicht zerbrochen war, wobei er in einem fort fluchte. Überall schrien und drängelten die Menschen, standen einander im Weg herum – aber überall gab es andere, die nur dastanden, ziellos umhergingen, die Hände rangen und nichts Sinnvolles taten.
    Der Wind presste Temperance die Röcke gegen die Beine und wehte ihr das Haar in die Augen. Der Geruch von Rauch überdeckte alles andere. Noch war das Feuer weit von Cheapside

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