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Die Braut des Vagabunden

Die Braut des Vagabunden

Titel: Die Braut des Vagabunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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waren, ging Jack in Temperances Salon, um sicherzugehen, dass dort niemand mehr lauerte. Er verschloss die Tür zu ihren Gemächern, ehe er in sein eigenes Schlafzimmer ging und dieselbe Vorsichtsmaßnahme ergriff.
    Temperance schlang die Arme um ihre Taille und sah ihm zu. Nachdem sie so viele Stunden im Blickfeld der Öffentlichkeit verbracht hatte, schien ihre Haut überempfindlich zu sein – wund von all den bohrenden Blicken. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Selbst die Türen, die Jack gerade verschloss, schienen keinen ausreichenden Schutz zu bieten vor den Fremden im Haus. Noch immer grübelte sie darüber nach, wer Anne Lidstone war, sie war so müde, dass sie nicht mehr klar denken konnte, und nie zuvor hatte sie weniger Lust auf die Liebe verspürt.
    Als Jack sie in die Arme nehmen wollte, verlor sie die Fassung.
    „Nicht.“ Sie stieß ihn gegen die Brust und trat zur Seite.
    „Nicht?“ Er schien erschrocken, dann wurden seine Züge weicher. „Keine Sorge, Liebste. Die Türen sind verschlossen, niemand wird uns stören.“
    Er legte die Arme um sie und zog sie an sich. Temperance fühlte seine Erregung, aber zum ersten Mal wollte sie seine Berührungen nicht.
    „Ich kann nicht.“ Sie stemmte die Handflächen gegen seine Brust und versuchte, ihn wegzuschieben. „Nicht heute Abend. Es tut mir leid. Lass mich los!“ Sie wurde lauter, als er sie nicht gleich gehen ließ.
    Er ließ die Arme so plötzlich sinken, dass sie schwankte, weil die Kraft, die sie gegen ihn eingesetzt hatte, sie plötzlich nach hinten stieß.
    „Was stimmt nicht?“ Er nahm ihren Ellenbogen und führte sie zum nächsten Stuhl. „Bist du krank? Was ist nicht in Ordnung?“
    „Ich bin nicht krank.“ Sie schüttelte den Kopf, zitterte indes so heftig, dass ihre Zähne klapperten.
    „Du frierst.“ Er umfasste ihre Hände. „Du musst ins Bett gehen.“
    Er streckte den Arm aus, um sie aufzunehmen, aber sie schlug seine Hände weg.
    „Ich bin nicht krank. Fass mich nicht an.“ Sie schlang die Arme um sich. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie hasste es, sich selbst so fremd zu sein. Tränen brannten ihr in den Augen. Sie fühlte, dass sie die Beherrschung verlor, und sie wusste nicht, was sie dagegen tun sollte. „Ich will nur allein sein“, flüsterte sie und war nicht einmal sicher, dass das stimmte. „Still sein.“ Sie versuchte es noch einmal. Still? Ja, das klang schon eher wie etwas, das sie wollte.
    „In unserer Hochzeitsnacht?“
    „Es ist nicht – nicht wirklich.“ Sie holte tief Atem. „Morgen Abend kannst du mich haben“, sagte sie, und wieder hörte sie die Worte, die Dorothea benutzt hatte, in ihrem Kopf. „Und die Nacht danach. Aber nicht heute. Ich kann nicht – kann nicht – nicht heute.“
    „Ich kann dich haben?“ Jack starrte sie an. Als sie ihn ansah, entdeckte sie Unglauben und wachsenden Zorn in seinem Blick. Es schien ihr nicht gerecht, dass er unzufrieden mit ihr war, nachdem sie sich den ganzen Tag so bemüht hatte, ihn nicht vor seiner Familie und den Nachbarn im Stich zu lassen.
    „Morgen Abend“, sagte sie. „Morgen Abend kannst du mich haben. Ich kann nicht so tun …“
    Er holte so tief Luft, dass sie erschrocken verstummte.
    „So tun?“, wiederholte er. „War all deine Leidenschaft bisher nur vorgespielt?“
    „Wie bitte?“ Sie sah ihn an. Obwohl ihr Verstand vor Erschöpfung verwirrt war, erschreckte sie die Veränderung in seinem Tonfall.
    „Du hast gewonnen. Jetzt musst du nicht mehr damit deine Zeit vergeuden, so zu tun … Ist es das?“
    Temperance sah ihn ausdruckslos an. Sie konnte sich kaum daran erinnern, was sie gesagt hatte, und es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, was er meinte. Als das dann der Fall war, war sie von seinem Vorwurf eher verwirrt als wütend.
    „Nein!“, rief sie aus. „Natürlich nicht! Um Himmels willen, sei doch vernünftig!“
    „Ich bedaure, dass du von meiner Begriffsfähigkeit so schlecht denkst“, sagte Jack kühl.
    Temperance sah blinzelnd in seine harten, fragenden Augen und erinnerte sich nicht mehr, womit das Gespräch begonnen hatte. Wirre Gedanken wirbelten ihr im Kopf herum. Der Tanz mit Jack. Dorotheas Verachtung. Die gesichtslose Anne Lidstone. Tobys Feindseligkeit. Die Bilder verschmolzen miteinander, bis sie sie nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Sie schwankte ein wenig.
    „Du bist krank.“ Jack umfasste ihre Schultern, um sie zu stützen.
    „Nein, nur müde.“ Sie schüttelte den Kopf

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