Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Braut des Vagabunden

Die Braut des Vagabunden

Titel: Die Braut des Vagabunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
Vom Netzwerk:
machen.
    Taumelnd erhob sie sich, legte einen bequemen Hausmantel an und einen Rock, bei dem sie nicht die Hilfe einer Zofe brauchte, um ihn zu schließen. Gewiss musste eine Duchess nicht jede Sekunde am Tag elegant gekleidet sein? Sie kämmte sich und versuchte, ihr Haar so zu frisieren, wie sie es bei der Zofe gesehen hatte.
    Dann holte sie tief Luft und machte sich auf den Weg, um Jack zu suchen. Der erste Mensch, dem sie begegnete, war Lord Swiftbourne.
    „Mylord, Ihr reist ab?“, fragte sie überrascht.
    Swiftbourne war auf die offene Vordertür zugegangen, doch bei ihrer Frage drehte er sich um und sah sie an.
    Während er auf sie zukam, ging sie die letzten Stufen hinunter. „Guten Morgen, Euer Gnaden.“ Er sah sie aufmerksam an. „Euer Gemahl sagte mir, Ihr würdet heute Morgen ruhen. Ich hoffe, es geht Euch jetzt gut.“
    „Das – hat er gesagt?“ Sie wollte fragen, was Jack noch gesagt hatte – und ob er wütend gewesen war, als er es sagte –, aber sie war zu stolz, um zuzugeben, dass sie etwas über ihren Gemahl nicht wusste. „Ja, es geht mir gut, danke“, sagte sie und richtete sich auf. „Gestern war ein außergewöhnlich geschäftiger Tag. Ich war recht müde, jetzt hingegen geht es mir sehr gut.“
    Swiftbourne sah sie erneut prüfend an, aber zu ihrer Erleichterung widersprach er nicht.
    „Gut“, sagte er. „Ja, meine Pflichten erwarten mich in London. Nur hätte ich gewusst, dass Ihr so bald aufsteht, hätte ich gewartet, um mich von Euch zu verabschieden.“
    „Ich verstehe. Es ist besser, nicht zu spät am Tage abzureisen“, sagte sie. „Danke, dass Ihr zur Hochzeitsfeier gekommen seid. Ich bin froh, Euch kennengelernt zu haben.“
    Höflich neigte er den Kopf, gleichzeitig sah sie indes, wie er eine Braue hochzog. Seine leichte Skepsis ärgerte sie.
    „Vielleicht sollte ich sagen, es war mir ein Trost, Euch zu treffen“, sagte sie und stellte befriedigt fest, dass er verwirrt war.
    „Ein Trost?“, wiederholte er und nahm vermutlich an, sie meinte es sarkastisch.
    „In der Tat. Nun, da ich Euch gesehen habe, kann ich darauf hoffen – sogar noch mehr, als ich es bisher tat –, dass mein Gemahl ebenso gesund und stark sein wird. Und meine Kinder.“ Dabei legte sie eine Hand auf ihren Bauch.
    Ihren Worten folgte Stille. Swiftbourne sah sie an, seine Miene war unergründlich. Er war so lange still, dass sie sich fragte, ob sie ihn beleidigt hätte, aber plötzlich verneigte er sich tief vor ihr.
    „Madam, es war mir eine Ehre, Euch zu treffen“, sagte er, und seine Stimme klang belegt. „Ich wünsche Euch Glück und Gesundheit.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich zur Tür. Der Diener sprang herbei, um sie zu öffnen, und im nächsten Augenblick war Temperance – abgesehen von den Dienstboten – allein.
    „Hinchcliff! Hinchcliff!“
    Temperance fuhr herum und sah, wie Toby in die Halle stürmte, gefolgt von Isaac.
    „Hinchcliff! Papa nimmt mich mit nach London! Morgen reisen wir ab!“ Vor dem Majordomus tänzelte Toby hin und her. „Wir gehen zusammen mit Lord und Lady Halross. Ihr müsst hierbleiben und Euch um alles kümmern. Das macht Euch doch nichts aus, oder? Lord Halross besitzt viele Schiffe. Ein Duke kann ich nicht werden, aber Papa sagt, ich könnte vielleicht ein bedeutender Händler werden und stattdessen ganz viele Schiffe besitzen.“
    „Langsam“, meinte Hinchcliff. „Ein bedeutender Händler muss würdevoll sein und immer deutlich sprechen. Ich verstehe nur die Hälfte von dem, was Ihr sagt.“
    „Papa nimmt mich nach London mit“, wiederholte Toby und unterstrich jedes Wort mit einem Kopfnicken. „Morgen brechen wir auf.“
    „Ich weiß“, entgegnete Hinchcliff lächelnd. „Er hat es mir schon heute Morgen erzählt. Wenn Ihr die neuesten Nachrichten vor mir hören wollt, müsst Ihr wesentlich früher aufstehen, Master Toby.“
    Niemand achtete auf Temperance, während Hinchcliff Toby neckte. Trauer überkam sie. Sie hatte Jack noch nicht gefunden, doch sie wusste nun, wie er auf die unbefriedigende Hochzeitsnacht reagiert hatte. Er nahm seinen Sohn mit nach London, ließ sie hier zurück, und sie war die Letzte, die davon erfuhr. Vielleicht wollte er Anne Lidstone treffen.
    Sie schwankte und setzte sich abrupt auf die Treppe – um festzustellen, dass sie nicht so unbemerkt war, wie sie gedacht hatte. Toby verstummte mitten im Wort und sah sie an. Isaac eilte zu ihr. Selbst Hinchcliff war mit zwei langen Schritten bei ihr,

Weitere Kostenlose Bücher