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Die Braut des Vagabunden

Die Braut des Vagabunden

Titel: Die Braut des Vagabunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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sie zu beruhigen. Es stimmte, dass Jacks Launen nie lange dauerten, aber sie konnte nicht vergessen, dass seine feindseligen Gefühle seinem Großvater gegenüber nun schon fünfzehn Jahre anhielten. Die Vorstellung, Toby könnte ihr in fünfzehn Jahren immer noch feindselig gesinnt sein, vermochte sie nicht zu ertragen.
    „Komm.“ Jack nahm ihre Hand und drehte sich um, um sie ins Haus zu führen. „Es ist an der Zeit, dich den Nachbarn vorzustellen.“
    Es war früher Abend, als Jack sich die Zeit nahm, an der Tür zwischen der großen Halle und dem angrenzenden Salon stehen zu bleiben und die Gäste zu beobachten. Musikanten spielten, und in der Halle tanzten mehrere Paare, während einige der älteren Gäste im Salon saßen und plauderten. Die Räume wurden von Kerzen erhellt, und es war heiß und laut. Schalen mit erwärmtem Orangenwasser sorgten für einen süßen Duft.
    Vor dem Bankett hatte Jack neben Temperance gestanden und sie Mitgliedern des örtlichen Adels vorgestellt, die sich ihnen in der Reihenfolge ihres Ranges näherten. Nach dem Bankett hatte er das erste Mal mit ihr getanzt und sie behutsam geführt, denn er wusste, sie fürchtete sich davor, in der Öffentlichkeit zu tanzen. Zuerst hatte sie ein paar Fehler gemacht, doch er hatte ihr zugelächelt, und nach und nach war sie sicherer geworden. Es war ihm egal, ob sie wusste, wie genau sie ihren Kopf oder ihre Hand halten sollte. Für ihn zählte nur der vertrauensvolle Ausdruck in ihren Augen, der ihm das Gefühl gab, ein König zu sein, wenn sie sich durch den Tanz führen ließ.
    Von seinem Platz an der Tür her sah Jack in die große Halle und dachte an das starke Gefühl, das er für Temperance empfand – und an die Frage, die ihm Toby am vergangenen Abend gestellt hatte.
    Liebst du Temperance mehr als mich?
    Er war so erschrocken gewesen, dass er sofort geleugnet hatte, denn er konnte sich nicht vorstellen, jemanden mehr zu lieben als seinen Sohn. Vielleicht war es noch wichtiger, dass er jahrelang der Versuchung widerstanden hatte, überhaupt irgendjemanden mehr zu lieben, als er seine Mutter liebte oder Toby. Liebe machte einen angreifbar für Schmerz und Enttäuschungen.
    Nur ließ sich Liebe nicht einfach so erzwingen oder verleugnen. Er umklammerte den Türrahmen, als ihn die Erkenntnis überkam. Er liebte Temperance! Er blickte über den Salon hinweg, wo sie mit Jakob und Desirée sprach. Als er sie gebeten hatte, ihn zu heiraten, hatte er nur praktische Gründe für seinen Antrag genannt, und unter diesen Bedingungen hatte sie angenommen. Jetzt bemerkte er, dass er ihnen beiden etwas vorgemacht hatte in Bezug auf seine wahren Gefühle.
    Bloß was war mit Temperance? Er wusste, sie war ihm dankbar, und der körperliche Aspekt ihrer Ehe bereitete ihr Vergnügen, aber würde sie ihn jemals lieben? Er sah sie an, bemerkte kaum die Menschen, die sich um ihn versammelt hatten, und gestand sich selbst gegenüber endlich ein, dass er sich von seiner Ehe mehr als alles andere Temperances Liebe ersehnte.
    Temperances Kopf dröhnte von den Stimmen der Fremden, die man ihr vorgestellt hatte. Sie begann zu glauben, dass der Tag gut verlaufen war, aber von den Anstrengungen, so viele Stunden lang förmliche Konversation zu machen, war sie wie betäubt. Es erleichterte sie, mit Jakob und Desirée zu sprechen. Verglichen mit den meisten anderen Gästen erschienen sie ihr wie alte Freunde. Doch nachdem Lady Desirée ihr zweimal dieselbe Frage gestellt und Temperance immer noch Schwierigkeiten hatte, eine passende Antwort zu formulieren, entschied sie, dass sie ein paar Minuten allein sein musste, weg von dem Lärm, um sich wieder zu fassen.
    „Es tut mir so leid. Würdet Ihr mich bitte entschuldigen? Mir ist gerade eingefallen – das heißt, ich muss etwas aus meiner Kammer holen“, sagte sie. „Nein, nein, es ist alles in Ordnung“, fügte sie auf Desirées besorgte Fragen hin dazu. „Ich werde bald zurück sein.“
    Sie stand auf und durchquerte den Raum, wobei sie im Vorbeigehen den Leuten zulächelte und nickte. Sie musste nur für ein paar Minuten weg von den Stimmen, dem Gelächter und der Musik. Mit etwas Glück war sie zurück, ehe jemand ihr Fortgehen bemerkte. In der Halle war die Luft kühler, und sie holte ein paar Mal dankbar tief Luft, ehe sie auf die hintere Treppe zueilte. Sie war erst ein Stück weit gegangen, da hörte sie Stimmen.
    Sie blieb auf der Stelle stehen. Die Namen derjenigen, denen die Stimmen gehörten, fielen

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