Die Braut des Wuestenprinzen
entfernt.
„Es gibt verschieden Quellen, aus denen hervorgeht, dass dies im 19. Jahrhundert eine ländliche Gegend war. Ein Stück weiter dort drüben standen die Sommerhäuser der Reichen. Kein Wunder also, dass wir Menschen uns noch nicht ganz an unsere neue Umgebung gewöhnt haben.“
„Da magst du recht haben.“ Elenor lächelte. „Wie groß sind denn die Städte in Parvan?“
„Eher klein. Shahr-i Bozorg hat etwa 150 000 Einwohner. Das ist die Hauptstadt Parvans.“
„Ich war noch nie dort.“ Einmal waren ihre Eltern ein paar Tage dort gewesen, aber sie hatten Elenor nicht mitgenommen. „Ist es schön?“
„Sehr schön sogar. Irgendwann wirst du es sicher kennenlernen.“
Mit dieser Äußerung lag er näher an den Tatsachen, als er ahnen konnte. Schon im nächsten Studienjahr würde sie nach Kaljukistan gehen, um dort die vorgeschriebenen Auslandssemester zu absolvieren.
„Du studierst doch Kaljukisch, oder?“, fragte er nach einer Weile und wandte sich ihr direkt zu. Plötzlich hatte sie wieder Angst vor ihm. Gern hätte sie gelogen, weil sie befürchtete, jede Information, die sie diesem Mann gab, würde ihm mehr Macht über sie verleihen. Doch schließlich nickte sie.
Auch er nickte. „Warum?“, fragte er dann.
Wahrheitsgemäß antwortete sie ihm, dass sie hoffe, eine Stelle in der dortigen Botschaft oder bei einem Wirtschaftsverband zu finden. Wieder nickte er. Dann schweifte sein Blick in die Ferne.
„Sie wollen Krieg gegen mein Land führen“, erklärte er.
Das war ein Schock für Elenor. Natürlich kannte sie die Gerüchte von einem möglichen Krieg. Aber der Nachdruck, mit dem Karim gesprochen hatte, ließ diesen Krieg wahrscheinlicher erscheinen. Wenn es tatsächlich Krieg gäbe, würde das ihre Karriere aufhalten.
„Meinst du, dass sie bekommen, was sie wollen?“
„Wenn sie in das Hoheitsgebiet Parvans einmarschieren, ja. Dann bekommen sie ihren Krieg. Aber sie werden ihn nicht gewinnen.“ Er hielt inne. „Es ist töricht, einen Kampf zu beginnen, wenn man nicht sicher ist, dass man ihn gewinnen wird.“ Dabei sah er sie an, als wären seine Worte nicht nur auf den Krieg, sondern auch auf sie bezogen.
„Ich weiß nicht, was du mir damit sagen willst“, antwortete sie brüsk. Erst jetzt erkannte sie, dass die freundliche Plauderei nur eine Maske gewesen war. Aus entschlossen dreinblickenden Augen sah ihr nun der wahre Karim entgegen.
„Warum fürchtest du dich vor mir?“, wollte er wissen.
Selbst unter Folter hätte Elenor es nicht zugegeben. „Ich fürchte mich nicht vor dir“, widersprach sie und räusperte sich.
„Sondern?“
Elenor spürte, dass sie nicht gegen ihn ankam. „Was meinst du damit?“, konterte sie schwach. Das Einzige, was ihr noch blieb, war die Flucht. Aber Karim lag so entspannt auf dem Rasen, dass es lächerlich gewesen wäre, aufzuspringen und wegzurennen.
„Du wirst immer ganz nervös, wenn ich in deiner Nähe bin. Wenn das keine Angst ist, was ist es dann?
„Es ist überhaupt nichts! Warum sollte ich überhaupt irgendetwas für dich empfinden? Ich kenne dich ja nicht einmal richtig!“
Im nächsten Moment streckte er ihr seine Hand entgegen. „Ich bin Karim Durran“, stellte er sich vor, ihre Hand schüttelnd. „Nun kennst du mich.“
Dunkel, geschmeidig, stark und grünäugig – schon immer hatte er sie an einen Panther erinnert. Warum seine harmlosen Worte sie jedoch so verängstigten, konnte Elenor sich nicht erklären. Sie entzog ihre Hand seinem Griff und stand auf.
„Ja, jetzt kenne ich dich“, antwortete sie. „Aber ich interessiere mich trotzdem nicht für dich. Und das wird auch so bleiben.“ Sie hängte sich die Tasche um und ging davon.
Er blieb liegen und antwortete nicht. Als sie sich am Eingang der Universität nach ihm umdrehte, lag er immer noch da. Auf dem Grashalm kauend, blickte er sie ruhig an. Von Weitem erinnerte er sie noch stärker an eine geschmeidige Raubkatze.
Plötzlich erkannte Elenor, dass der Panther soeben die Jagd auf sie begonnen hatte. Angestachelt durch ihr eigenes Verhalten.
6. KAPITEL
Nach diesem Ereignis gelang es Elenor nicht mehr, Karim aus dem Weg zu gehen. In der Bibliothek setzte er sich direkt ihr gegenüber. Er besuchte ihre Vorlesungen, die er als Doktorand gar nicht besuchen musste. Wenn sie früh da war, setzte er sich neben sie. Wenn sie spät kann, war stets nur noch ein Platz neben ihm frei. Und irgendwie schaffte er es immer, sie in eine Unterhaltung zu
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