Die Braut des Wuestenprinzen
Gabriel das Angebot ablehnte und auf einen anderen Posten in einem anderen Teil der Welt wartete. Was würde Karim jetzt wohl tun? Sie kannte ihn – wenn er sich in den Kopf gesetzt hatte, die Hochzeit zu vereiteln, dann würde er das tun. Es würde ihm nicht reichen, Gabriel nach der Hochzeit zu töten oder zur Scheidung zu zwingen. Oder zu erklären, dass die Ehe ungültig sei und sie bereits verheiratet wäre. Er hatte ihr geschrieben, dass er nicht zulassen würde, dass sie einen anderen heiratete. Diese Drohung würde er wahr machen.
Natürlich, dachte Elenor verzweifelt. Wenn einer der hier Anwesenden etwas gegen diese Verbindung einzu wenden hat … Sicherlich kannte sich Karim gut genug mit westlichen Hochzeiten aus, um zu wissen, dass diese Frage im Laufe der Zeremonie gestellt wurde. Sobald sie ausgesprochen war, würde er oder einer seiner Männer aufstehen und verkünden, dass sie bereits verheiratet sei. Auf diesen Moment musste sie sich vorbereiten. Sie musste sich eine Verteidigung zurechtlegen.
Ich war nie mit ihm verheiratet. Die Zeremonie war nicht rechtsgültig, aber das wusste ich damals nicht. Nach parvanischem Gesetz waren wir nie verheiratet. Außerdem hat er mich verstoßen.
Das Blut rauschte ihr in den Ohren, sodass die Worte des Pfarrers nicht zu ihr durchdrangen. An welcher Stelle des Gottesdienstes waren sie? Wie viel Zeit blieb ihr noch?
„… nicht unüberlegt oder leichtfertig geschlossen werden. Und darum frage ich nun: Hat einer der hier Anwesenden etwas gegen diese Verbindung einzuwenden? Dann spreche er jetzt oder schweige für immer.“
Stille. Nicht das leiseste Geräusch war zu hören. Nie zuvor in ihrem Leben hatte Elenor eine solche Stille erlebt. Das Rauschen in ihren Ohren verschwand, und selbst ihr Herz schien aufzuhören zu schlagen, während sie ängstlich in die Stille lauschte und auf den Widerspruch wartete.
„Nun, Gabriel und Elenor …“, fuhr der Pastor fort. Elenor atmete auf. Nicht zu fassen. Wie kindisch von ihr, sich mit so abwegigen Vorstellungen verrückt zu machen! Natürlich würde Karim so etwas Dummes nicht tun – wozu auch? Er wollte sie nicht und hatte sie nie gewollt, geschweige denn geliebt. Warum also sollte er nach so vielen Jahren plötzlich auftauchen, um ihre Hochzeit zu verhindern?
Wahrscheinlich lag es daran, dass die bevorstehende Hochzeit sie nervös gemacht hatte. Kein Wunder, sie hatte Gabriel mehrere Monate nicht gesehen und auch davor kaum Zeit gehabt, ihn richtig kennenzulernen. Aber Margaret hatte recht. Gabriel würde ein guter Ehemann sein. Bestimmt tat sie das Richtige.
„… und ich bitte euch: Wenn es einen Grund gibt, warum ihr nicht heiraten solltet, so bekennt dies jetzt!“
Warum hielt das Schweigen so lange an? Hegte der junge, eifrige Pfarrer etwa einen Verdacht? Worauf wartete er? Oder ließ ihr Zeitgefühl sie im Stich?
Plötzlich ging ein erstauntes Raunen durch die Reihen.
„Also, Elenor“, rief eine markante Stimme hinter ihr. „Wirst du gestehen, dass du keinen anderen heiraten kannst, weil du meine Frau bist? Oder willst du vor Gott und dir selbst einen Meineid schwören?“
Elenor wirbelte herum. In Wüstenkleidung gehüllt und mit einer Waffe in den Händen, so stand er im Eingang. Sechs seiner engsten Vertrauten umringten ihn. Es bestand kein Zweifel: Karim Mobad Dafauddin Durran, Shahazade-Ye Parvan, der Kronprinz von Parvan, war gekommen, um sie zu holen.
Auch Gabriel drehte sich nun um. Er und Karim sahen sich erst an, um dann den Kopf zum Gruß zu neigen. Es war die Begrüßung zweier Männer, die durch die Umstände zu Feinden geworden waren.
Im nächsten Moment standen zwei von Karims Männern bei Gabriel und hielten ihn fest.
„Sie sind sehr tapfer, Mister Horne“, sagte Karim. „Sie würden sie sogar verdienen. Aber sie gehört bereits mir.“
Dieser unverblümt geäußerte Besitzanspruch reizte Elenor. Nicht mehr vor Angst zitterte sie jetzt, sondern vor zutiefst empfundenem Zorn. „Ich gehöre dir nicht!“, rief sie mit heiserer Stimme. „Ich habe dir nie gehört, und ich werde dir auch in Zukunft nicht gehören. Mach, dass du wegkommst! Verschwinde aus dieser Kirche!“
Daraufhin gab Karim seine Waffe einem seiner Gefährten und kam ihr mit großen Schritten entgegen. „Mit dir zu streiten, hat noch nie Sinn gehabt“, meinte er, packte sie mit einer blitzartigen Bewegung am Oberarm und zog sie in seine Richtung.
Elenor stolperte über den Saum ihres Kleids und verlor das
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