Die Braut des Wuestenprinzen
Gleichgewicht. Bevor sie sich versah, hatte Karim sie hochgehoben. Seine bewaffneten Gefährten gaben ihm Deckung.
Niemand würde je vergessen, wie der braun gebrannte, weiß gewandete Prinz mit diesen triumphierend glänzenden, grünen Augen die blasse, zarte, blütengeschmückte Schönheit in den Armen hielt. Alle würden sich an seine sehnigen, dunkelhäutigen Hände auf der weiße Seide des Brautkleids und die Wut in Elenors Blick erinnern. Hinter ihnen leuchtete das Rosettenfenster in Weiß, Rot und Blau. Der verwunderten Hochzeitsgesellschaft erschien die Szene wie ein Kunstwerk.
„Diese Frau“, verkündete Karim der Hochzeitsgesellschaft, „ist Elenor Shahbanu von Parvan, meine Frau. Ich habe das Recht, sie mitzunehmen. Folgen Sie uns nicht.“
Bis jetzt hatte Elenor den aus England mitgebrachten Brautstrauß fest umklammert gehalten. Nun warf sie ihn fort und versetzte Karim mit der frei gewordenen Hand eine schallende Ohrfeige. „Ich bin nicht deine Frau!“, schrie sie.
Ungläubig starrte er sie an. „Ich habe dich gewarnt!“, drohte er. „Du hast es so gewollt!“ Damit wandte er sich um und nickte seinen Gefährten zu. Zwei von ihnen richteten die Waffen auf die verblüffte Gemeinde, um ihm auf dem Weg zu Tür Deckung zu geben. Drei sicherten den hinteren Bereich der Kirche ab. Mit seinem Fuß stieß Karim die Tür zum Kirchenvorraum auf, in dem zwei weitere bewaffnete Männer warteten. Die auf die Straße führende Tür stand bereits offen. Davor warteten zwölf Pferde, auf einem saß bereits ein Reiter. Ohne Zögern ging Karim auf einen schwarzen Hengst mit gold-rot gemusterter Satteldecke zu und warf Elenor auf den Pferderücken. Dann sprang er selbst hinter ihr auf.
Auch die anderen Männer liefen nun aus der Kirche auf ihre Pferde zu. Ohne auf sie zu warten, nahm Karim die Zügel und trieb den schwarzen Hengst an. Hinter ihnen fielen Schüsse, und sie hörten Schreie, während die letzten Männer aus der Kirche rannten und auf ihre Pferde sprangen.
Die von vereinzelten Häusern gesäumte Straße lag am Stadtrand. In der Ferne konnte Elenor die Berge von Parvan sehen. Dazwischen erstreckte sich die Wüste. Kilometerweit nichts als unwirtliche Wüste. Die Wüste war ihr Ziel, das wusste Elenor.
4. KAPITEL
Rufend und gestikulierend kamen die Hochzeitsgäste aus der Kirche gelaufen, ohne sich um die draußen lauernde Gefahr zu kümmern. Im Damensitz vor Karim sitzend, drehte Elenor sich nach ihnen um. Vergeblich hatte sie versucht, sich aus Karims Umklammerung zu lösen, gab dann aber auf. Der Gedanke, von einem galoppierenden Pferd zu fallen und von zwölf weiteren überrannt zu werden, ließ ihren Mut sinken.
Eine Person im grauen Anzug mit einem Sturmgewehr rannte aus der Kirche. Gabriel! Wie hatte er das geschafft? Er hatte die zwei bewaffneten Männer an seiner Seite überwältigen müssen. Das war ihm anscheinend gelungen, denn nun sah Elenor, dass noch zwei Pferde ohne Reiter dastanden. Alle anderen ritten hinter ihr und Karim her. Unruhig scharrten die zwei Pferde vor der Kirche mit den Hufen. Gabriel konnte gerade noch nach den Zügeln des einen greifen und aufspringen, bevor sie losgaloppierten. In der einen Hand hielt er die Kalaschnikow, oder was immer es war, und in der anderen die Zügel. Er ritt sehr gut. Aber nicht Bewunderung raubte Elenor den Atem, sondern Angst. Ein einziger Mann gegen zwölf!
Er lag nicht allzu weit hinter Karims letzten Männern zurück. Hinter ihm startete mit heulendem Motor der zerbeulte Landrover, der vor der Kirche gestanden hatte. Elenors Herz krampfte sich zusammen. Gabriels einzige Chance war, dass die Reiter nicht ahnten, dass er ihnen folgte.
Doch der Motor war nicht zu überhören. Zwei Männer drehten sich im Sattel um, ließen die Zügel fallen und erhoben ihreWaffen. Trotz ihrer bedrängten Lage konnte Elenor nicht anders, sie empfand Bewunderung für die Reitkunst der Männer. Das Schießen während des Rückzugs wies sie als Urahnen der Parther aus, die diesen Trick bereits vor mehr als zwei Jahrtausenden angewendet hatten.
Auf den Anblick des Landrover waren die Männer wohl gefasst gewesen, aber es überraschte sie sichtlich, Gabriel auf einem Pferd zu sehen. „Herr“, riefen sie, „der Mann folgt auf Sohrabs Pferd und hat dessen Waffe!“
Karim blickte Elenor kurz an. „Er ist mutig, dein Auserwählter“, bemerkte er. Seinen Männern rief er etwas zu, das sie nicht verstand. Noch bevor er geendet hatte, fielen zwei
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