Die Braut fuer eine Nacht
Nudeln und Rindfleisch in Austernsauce aßen. Kelly war kaum imstande, sich auf ihr Essen zu konzentrieren. Immer wieder sah sie sich um und konnte sich gar nicht satt sehen an all den Gewürzläden, den Akupunkturstudios, den Ständen, an denen Blütenkränze oder frische Fische, Gemüse und exotische Früchte verkauft wurden.
Sie hatten gerade ihre Mahlzeit beendet, als eine Stimme hinter Kelly rief: „Hey, sind Sie nicht dieser Denger?"
Ein dicker Mann in einem Hawaiihemd und abgeschnittenen Jeans schlug Steve auf die Schulter. „Nick Denger! Ich habe Sie erkannt!" Der Mann hatte eine Kamera um den Hals, die Knöpfe seines Hemdes platzten beinahe auf über seinem fetten Bauch.
Kelly sah sich um. Neben dem Mann standen seine Frau und drei Kinder und starrten Steve an.
Steve stand auf. „Derringer. Nick Derringer", korrigierte er.
„Ja, richtig." Der Mann lachte erfreut. „Hey, Nick, hä tten Sie etwas dagegen, wenn ich ein Foto mache?"
„Nein, natürlich nicht." Vor Kellys erstauntem Blick verwandelte Steve sich in Nick Derringer, Privatdetektiv. Er flirtete mit der Frau, die entzückt errötete. Er neckte die Kinder und gewann selbst das jüngste für sich, als er es für das Foto auf seine Schulter setzte.
Immer mehr Leute scharten sich um die kleine Gruppe, und es dauerte beinahe fünfundvierzig Minuten, ehe es Steve und Kelly gelang, zum Wagen zurückzukommen.
„Es war sehr nett von dir, dass du dich so lange mit diesen Leuten aufgehalten hast", meinte Kelly auf dem Weg zum Hotel.
„Aber das ist doch selbstverständlich. Schließlich sind sie es, zusammen mit vielen anderen, die meine Serie bekannt und mich berühmt machen. Warum sollte ich ihnen nicht eine kleine Freude bereiten?"
„Es hat mir gefallen, wie du dich auf einmal in Nick Derringer verwandelt hast."
„So wollen sie es doch haben. Nicht mich wollen die Zuschauer sehen, sondern Nick.
Es bringt nichts, wenn man das nicht berücksichtigt."
Kelly sah aus dem Fenster, doch sie hatte keine Augen für die Schönheit der Landschaft. In der Gruppe um Steves Fans herum waren auch Frauen gewesen, die ihn baten, ihnen Autogramme auf die unterschiedlichsten Körperteile zu geben. Kelly war überrascht und auch ärgerlich über das Gefühl der Eifersucht, das sie dabei verspürt hatte.
In ihrem Zimmer packte Kelly die Einkäufe aus, dann zog sie die Schuhe von den Füßen und warf sich aufs Bett. Anschließend erzählte sie Tante Bette telefonisch von dem Einkaufsbummel, den Blumen, dem Essen mit Steve und von der Autogrammstunde.
„Wenn alles vorbei ist und es Colleen wieder besser geht, können wir drei vielleicht einmal verreisen."
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt war ein Flug nach Hawaii für Colleen zu anstrengend und gefährlich, deshalb konnte weder sie noch Tante Bette zu Kellys Hochzeit kommen.
Doch Kelly hatte versprochen, einen Videofilm von der Hochzeit machen zu lassen, damit die beiden an allem teilhaben konnten.
„Meine Kusine Patty dreht durch, wenn sie erfährt, dass Nick Derringer mein angeheirateter Neffe ist - wenn auch nur auf Zeit", bemerkte Bette.
„Sag ihr bloß nicht die Wahrheit..."
„Niemals! Soweit ich weiß, war es bei euch Liebe auf den ersten Blick."
Die beiden unterhielten sich noch eine Weile, dann legte Kelly den Hörer wieder auf und ließ sich aufs Bett zurücksinken.
Morgen ist meine Hochzeit, dachte sie. Na ja, keine echte, berichtigte sie sich gleich darauf. Aber eine richtige Feier würde es werden, und am Ende des Tages würde die Presse schon dafür gesorgt haben, dass selbst die tibetanischen Mönche in der einsamsten Ecke der Welt erführen, dass Nick Derringer, alias Steve Delany, Kelly Archer geheiratet hatte.
Ein eigenartiges Gefühl. Die Nervosität einer Braut? Pah. Sie war ja gar keine wirkliche Braut, also hatte sie absolut keinen Grund, nervös zu sein. Schließlich war es ja nicht so, dass sie von morgen an das Bett mit Steve teilen musste. Mit ihren dreiundzwanzig Jahren hatte Kelly nicht einmal eine Ahnung, wie es überhaupt war, das Bett mit einem Mann zu teilen.
Das Leben hatte Kelly Archer für solche Sachen nicht viel Zeit gelassen. Wenn Kelly sich selbst gegenüber ganz ehrlich war, hatte sie es auch nicht gewollt. Natürlich hätte sie ihre Zeit auch auf der Couch eines Psychiaters verbringen können, um zu entdecken, dass sie Bindungsängste hatte, weil ihr Vater gestorben war, als sie noch ein Kind war, und nur wenige Jahre später auch ihre Mutter.
Doch Kelly sah
Weitere Kostenlose Bücher