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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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sie finden und es melden. Irgendwer, der nicht dem Mann mit der Pistole begegnet ist.»
    «Wenn du nicht zur Polizei gehst, werde ich es tun», sagte Mara.
    «Wirst du nicht. Der Mann ist gefährlich. Ich habe ihn gesehen, und er wird nicht wollen, dass ich ihn wiedererkenne.»
    Mara dachte nach. «Dann werden wir anrufen, ohne unsere Namen zu nennen. Wir werden ihnen nur sagen, dass wir eine tote Frau gefunden haben», sagte sie.
    «Sie werden herausbekommen, von wo der Anruf kam. Dann haben sie uns.»
    «Wir gehen in eine Telefonzelle. Bis sie dort sind, sind wir längst wieder weg.»
    Tobi schwieg. Er sah ein, dass er keine Argumente mehr hatte.
    «Lass es uns gleich machen», sagte Mara. «Dann haben wir es hinter uns. Ich muss sowieso mit Flocky raus.»
    Sie gingen zu dem kleinen Kiosk, an dem Mara sich oft vor der Schule ein paar Süßigkeiten oder eine Tüte mit Limonade kaufte. Der Besitzer war ein junger Tamile, der ihr gelegentlich noch eine Kleinigkeit extra in ihre Tüte steckte. Jetzt war er gerade dabei, Getränkekisten aus seinem Lieferwagen zu laden.
    Als er Mara und Tobi kommen sah, strahlte er: «Was soll’s denn sein? Fünf saure Colafläschchen und fünf Brausestangen? Und für Flocky eine klitzekleine Frikadelle?»
    «Nein», sagte Mara, «wir brauchen eine Karte zum Telefonieren. Die billigste, die Sie haben.»
    «Nanu», sagte der Mann, «geht euer Telefon nicht?»
    Mara hasste es zu lügen. Aber die Wahrheit durfte sie nicht sagen. Und jetzt fiel ihr keine andere Ausrede ein. «Ja», behauptete sie. «Die Leitung ist gestört.»
    «Da habt ihr aber Glück.» Er zeigte auf den öffentlichen Fernsprecher, der nur fünf Meter von seinem Kiosk entfernt stand. «Das Ding war wochenlang kaputt. Es ist gerade heute Morgen repariert worden.»
    Mara nahm die Karte entgegen und legte das Geld auf die Plastikschale.
    Sie hatte den Hörer abgenommen. Jetzt sah sie, dass man für einen Notruf keine Telefonkarte brauchte. Bevor sie wählte, schaute sie Tobi noch einmal an. «Oder willst du?», fragte sie.
    Tobi schüttelte den Kopf. «Nein», sagte er. «Mach du. Und denk daran, deine Stimme zu verstellen.»
    Mara tippte die drei Ziffern des Notrufs ein, dann wartete sie. Fast augenblicklich meldete sich ein Mann, der sie bat, ihren Namen zu nennen.
    «Sie müssen kommen. Da liegt eine Frau im Sand. Sie ist tot», sagte Mara. Sie fand, ihre Stimme klang wie die von Mama Bär aus der Zeichentrickserie, die sie manchmal mit ihrer kleinen Cousine schaute. Tobi grinste.
    «Zuerst musst du bitte deinen Namen sagen», wiederholte der Mann.
    Aber wieso duzte er sie? Hatte er schon gemerkt, dass sie ein Mädchen war und keine Frau? Mara schwieg.
    «Was ist mit dir, bist du noch da?»
    «Ja», sagte Mara.
    «Sag mir einfach, wie du heißt und wo du wohnst.»
    «Nein, das werde ich nicht. Ich wollte nur melden, dass wir eine Tote gefunden haben.»
    «Was heißt ‹wir›?», fragte der Mann. «War noch jemand bei dir?»
    Mara schaute Tobi Hilfe suchend an. Sie beschloss, der Frage auszuweichen. «Wollen Sie nicht wissen, wo die Tote liegt.»
    «Also gut: Wo habt ihr sie gefunden?»
    «Sie liegt in einer Sandgrube. In dem Wäldchen in den Schwanheimer Dünen. Das ist direkt am Main, kurz bevor man zu den alten Farbwerken kommt.»
    Dann hörte sie Flocky bellen. Sie sah rüber zu dem Kiosk, wo der junge Tamile den Hund mit einer Frikadelle lockte. Jedes Mal, wenn Flocky danach schnappte, zog er das Fleischbällchen wieder weg und hob seinen Arm. Das Bellen wurde wütender. Mara legte eine Hand über die Sprechmuschel des Hörers. «Flocky, aus!», rief sie. Der Tamile lachte und ermahnte Flocky ebenfalls zur Ruhe, neckte ihn aber weiter.
    «Ich weiß, wo die Schwanheimer Dünen sind», sagte der Mann am Telefon. «Und du bist dir sicher, dass die Frau tot ist?»
    «Ja, natürlich. Sie wurde umgebracht. Aber der Mann war schon weg.»
    «Welcher Mann? Von wem sprichst du? Wie kommst du darauf, dass die Frau umgebracht wurde? Hör mal, du sagst mir jetzt bitte deinen Namen.»
    Mara merkte, dass sie schon wieder einen Fehler gemacht hatte. «Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß. Ich mache jetzt Schluss. Eine Tote liegt in den Schwanheimer Dünen. Das ist alles.»
    Sie hängte den Hörer ein. Dann schaute sie Tobi an. «Was meinst du? Wie ist es gelaufen?»
    Tobi zuckte mit den Schultern. «Weiß nicht», sagte er. «Ich hoffe nur, sie kriegen uns nicht.»
     
    Es war das erste Mal, dass Marthaler nach seiner

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