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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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kurz hintereinander Kerstin Henschel und Sven Liebmann in Marthalers Büro. Er sollte Entscheidungen treffen. Er fühlte sich überfordert. «Macht es doch so, wie ihr denkt», sagte er zu den beiden. «Wir sind doch alle auf demselben Wissensstand. Jeder muss seine Arbeit tun, und jeder auf seine Weise.»
    Wie immer, wenn sich die Ereignisse um ihn herum überschlugen, wenn es darauf ankam, schnell zu handeln, hatte Marthaler Angst, etwas Entscheidendes zu übersehen. Je größer die Beschleunigung, umso größer war auch die Gefahr, einen Fehler zu machen. Auch jetzt hatte er das Gefühl, er müsse gegensteuern. Er dürfe sich nicht dem Zeitdruck unterwerfen. «Wer keine Zeit hat, muss sie sich nehmen.» Es war dieser Satz seiner Großmutter, der ihm in solchen Situationen einfiel.
    Er nahm den Zettel zur Hand, den Sabato ihm gestern auf den Schreibtisch gelegt hatte. Der Mann, den Marthaler aufsuchen sollte, hieß Rainer Hirschberg. Er hatte viele Jahre das Institut für Sexualforschung geleitet. Jetzt war er pensioniert und lebte in einem kleinen Dorf im Taunus. Elvira hatte dort angerufen und um einen Termin für Marthaler gebeten. «Jederzeit», hatte der Mann gesagt, «ich bin immer zu Hause.»
    Alle Dienstwagen waren unterwegs. Marthaler überlegte, ob er im Präsidium anrufen und darum bitten sollte, dass man ihm ein Auto schickte. Er entschied sich anders.
    «Ich mache eine Radtour», sagte er zu Elvira. «Wenn alles gut geht, bin ich am frühen Nachmittag zurück.»
    Er füllte seine beiden Trinkflaschen mit Leitungswasser, pumpte noch einmal Luft in die Reifen und fuhr los. Als er das Stadtgebiet hinter sich gelassen hatte, atmete er durch. Ab Liederbach ging es die meiste Zeit bergauf. Er war froh, dass er um einige Kilo leichter war als noch im Herbst, dennochwar er erschöpft und durchgeschwitzt, als er in Ruppertshain ankam. Er hatte fast anderthalb Stunden gebraucht, länger, als er vermutet hatte. Im Ort erkundigte er sich nach dem Weg zur Alten Mühle. Die rasche Abfahrt durch den Wald hinunter in ein abgelegenes Tal machte ihm Vergnügen, und seit Tagen hatte er zum ersten Mal wieder das Gefühl, dass er frei denken konnte, dass sein Kopf nicht vollständig durch den Fall blockiert wurde.
    Als er den tiefsten Punkt der Senke erreicht hatte, machte er Halt. Etwa fünfhundert Meter von der Straße entfernt sah er ein altes, schönes Fachwerkgebäude, das einsam zwischen den Wiesen am Fuß eines Hanges lag. Das Haus war umgeben von einer Gruppe großer Bäume, durch deren kahle Äste die überraschend warme Februarsonne leuchtete.
    Er bog in den Schotterweg ein und näherte sich der ehemaligen Mühle. Dann hatte er sein Ziel erreicht. Er überquerte den Hof und stellte sein Rad an der Steintreppe ab, die von zwei Seiten zur Haustür hinaufführte. Auf einer der oberen Stufen lag eine dicke Katze, die ihn träge anblinzelte, als er an ihr vorüberging. Da es keine Klingel gab, klopfte er. Kurz darauf erschien in einem der Fenster im ersten Stock der Kopf einer jungen Frau. Sie rieb sich die Haare mit einem Handtuch trocken.
    «Ja bitte?», rief sie und lächelte ihm zu.
    «Ich möchte zu Herrn Hirschberg. Ich weiß nicht, ob ich ihn Doktor oder Professor nennen muss.»
    Die junge Frau lachte. «Bloß nicht!», sagte sie. «Lassen Sie das lieber, wenn Sie ihn nicht wütend machen wollen. Gehen Sie hinters Haus. Er wird irgendwo im Garten sein.»
    Was sie als Garten bezeichnete, war eine riesige Wiese, die mit einigen Obstbäumen bestanden war. Marthaler schaute sich um. Die Wiese erstreckte sich bis hinauf zum Waldrand, wo ein kleines, grün gestrichenes Holzhaus stand. Doch eswar nirgends jemand zu sehen. Er bemerkte den kleinen Trampelpfad, der zu der Hütte führte, und als er die Mitte des Weges erreicht hatte, rief er Rainer Hirschbergs Namen. Einige Meter weiter rief er noch einmal.
    Dann stutzte Marthaler. Hinter dem Häuschen war eine Gestalt hervorgetreten, die ihn im ersten Moment an einen Astronauten denken ließ. Der Mann trug einen weißen Schutzanzug, weiße Handschuhe und einen Hut, der ganz von einem Netz umgeben war, hinter dem nicht nur sein Gesicht, sondern der ganze Kopf verschwand. Erst als er die zahlreichen Bienen wahrnahm, die den Mann umschwärmten, erkannte Marthaler, dass es sich um die Kleidung eines Imkers handelte.
    «Bleiben Sie dort», sagte der Mann. «Ich komme zu Ihnen. Leider habe ich keinen zweiten Schleierhelm, sonst könnten Sie sich meine Völker ansehen. Sie

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