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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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Mittag gedacht hatte, dass sie es mit einem außergewöhnlichen Fall zu tun hatten, mit einem Fall, der ihnen anderes abverlangte als die gewohnten Methoden aus dem Lehrbuch.
    Kai Dörings Vorschlag, eine kurze Pause zu machen, wurde mit beifälligem Gemurmel aufgenommen. Marthaler öffnete die Balkontür und ließ die kalte Abendluft herein. Obwohl er sich bereits ein wenig benommen fühlte, ging er in die Küche, um zwei weitere Flaschen Wein zu holen. Plötzlich stand Kerstin Henschel hinter ihm und hielt die zerknüllten Pizzaschachteln hoch. «Wohin damit?»
    Mit dem Kopf zeigte er auf den Abfalleimer.
    «Der ist voll», sagte sie.
    «Dann schau bitte im Schrank unter der Spüle nach, dort gibt es eine Rolle Müllsäcke.»
    «Wie wär’s mit einer Kanne Kaffee?»
    Marthaler drehte sich zu ihr um und schaute sie an. «Was willst du?»
    «Wie meinst du das?», fragte sie.
    «Du lungerst hier rum, suchst den Mülleimer, fragst nach Kaffee, aber du willst etwas anderes! Also: Was ist los?»
    Sie lachte. «Genau das wollte ich dich fragen: Was ist los mit dir?»
    Marthaler hob die Augenbrauen. Er wollte der Frage seiner Kollegin nicht mit einer erneuten Gegenfrage ausweichen. Er schwieg einen Moment. «Das heißt ja wohl, dass man es mir schon wieder ansieht», sagte er schließlich.
    «Allerdings! Du wirkst ziemlich mitgenommen.»
    Er nickte.
    «Ist es   … das Herz?»
    Er stutzte. Dann nickte er erneut. Und diesmal musste er lächeln. «Ja, das Herz.»
    «Tereza?», fragte sie.
    «Hör zu, Kerstin, ich kann nicht darüber sprechen. Schon gar nicht jetzt.»
    «Aber du solltest es lernen», sagte Kerstin Henschel. «Es wird höchste Zeit, dass du es lernst. Versteh mich nicht falsch: Ich meine nicht, dass ich es sein sollte, mit der du redest. Aber irgendwen sollte es geben, mit dem du über   … dein Herz reden kannst.»
    «Du scheinst aus Erfahrung zu sprechen. Vielleicht sollten wir mal ein Bier zusammen trinken   … Wenn das hier vorbei ist.»
    In diesem Moment streckte Manfred Petersen den Kopf zur Küchentür herein. «Stör ich?», fragte er.
    Kerstin Henschel fuhr herum. «Allerdings», sagte sie, «du störst.»
    Petersen wurde blass. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, zog er sich wieder zurück. Marthaler sah sie erstaunt an. Eine solche Schärfe im Tonfall hatte er bei ihr noch nie erlebt. «Mir scheint, wir sollten mit unserem Bier nicht zu lange warten», sagte er.
    «Ja», sagte Kerstin, «das wäre nett.»
    Und jetzt erst begriff Marthaler, dass sie genauso das Gespräch mit ihm suchte, dass sie auch seine Hilfe brauchte. Und dass sie sich nicht getraut hatte, ihn darum zu bitten.
    «Kerstin?»
    «Was?»
    «Ich bin froh, dass wir dich bei diesen Ermittlungen dabeihaben. Ich glaube, es gab noch nie einen Fall, bei dem wir so dringend auf die Mitarbeit einer Frau angewiesen waren. Und ich bin froh, dass du diese Frau bist.»
    Kerstin lächelte. «Danke», sagte sie. «Ich glaube, ich verstehe, was du meinst.»
    «Und das mit dem Kaffee war eine gute Idee.»
    Marthaler ging hinaus zu den anderen, die ihre Jacken angezogen hatten und auf dem dunklen Balkon standen.
    «Hat jemand eine Zigarette für mich?», fragte er.
    Sven Liebmann hielt ihm die offene Schachtel hin. Als er ihm auch Feuer geben wollte, schüttelte Marthaler den Kopf. «Danke», sagte er, «ich will nur das Gefühl haben zu rauchen. Kommt, lasst uns reingehen, wir sollten weitermachen.»
     
    Als sie wieder um den Tisch saßen, wusste Marthaler, dass man von ihm erwartete, dass er das Wort ergriff. Stattdessen schaute er schweigend in die Runde. Ich schwimme, dachte er. Ich weiß nicht, was ich von der Sache halten soll. Ich habe keine Ahnung, welche Fragen wir uns stellen müssen.
    Kai Döring war der Erste, der seine Ungeduld nicht länger beherrschen konnte: «Komm schon, Robert, leg los!»
    Doch Marthaler schüttelte den Kopf. «Nein», sagte er. «Es wäre mir lieb, wenn ausnahmsweise einer von euch den Anfang macht. Bitte, Kai, wie wäre es mit dir?»
    «Gut», sagte Döring, «dann eben ich. Also: Wir sind uns einig, dass wir es mit einem ungewöhnlich brutalen Mord zu tun haben. Trotzdem bin ich dagegen, dass hier jetzt alle so tun, als würde es sich um eine Art Gespensterfall handeln. Eine junge Frau wird überfallen und ermordet. Sie hatte, wie es aussieht, hohe Schulden. Bei ihr war also kaum etwas zu holen. Und das wenige, das zu holen gewesen wäre, lässt der Täter liegen. Er hatte es also nicht auf Geld abgesehen. Was

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