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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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auch immer sein Motiv war, er macht sich nicht einmal die Mühe, es wie einen Raubmord aussehen zu lassen. Er unternimmt nicht den geringsten Versuch, seine Tat zu vertuschen. Es ist ihm egal, was wir von ihm denken. Er wollte die Frau töten, und das hat er getan. Eine Affekttat war es sicher nicht, kein Streit, der eskaliert ist. Ich denke, das können wir ausschließen. Aber vielleicht war es ein verflossener Liebhaber. Vielleicht war es auch jemand, bei dem sie Schulden hatte, die sie nicht zurückzahlen konnte. Vielleicht war es eine eifersüchtige Frau, die einen Killer beauftragt hat. Oder es war einfach jemand, dem Gabriele Hasler im Behandlungszimmer auf den Nerv gebohrt hat. Ich meine, eine Zahnärztin hat so viele Todfeinde, wie sie Patienten hat.»
    «Kai, bitte», sagte Marthaler.
    Döring hob die Hände. «Schon gut», sagte er. «Aber du hast doch selbst bereits gesagt, was wir tun müssen. Wir müssen ihren Bekanntenkreis aufrollen. Und ich bin überzeugt, dass wir den Täter, wie in den allermeisten Fällen, in ihrem Umfeld finden werden. Wir können doch nicht so tun, als sei das hier der erste Mord, den wir aufzuklären haben.»
    Dörings Gesicht war gerötet. Er lehnte sich zurück und schaute einem nach dem anderen in die Augen, als suche er Unterstützung für seine Sichtweise. Trotz der Bestimmtheit, mit der er seine Argumente vorgebracht hatte, war ihm seine Unsicherheit anzumerken. Anfangs gab niemand einen Kommentar ab. Endlich schüttelte Kerstin Henschel den Kopf.
    «Was ist, bist du nicht einverstanden?»
    «Nein», erwiderte sie ruhig, «was du sagst, trifft die Sache nicht. Ich glaube, das Ganze geht wesentlich weiter, als wir ahnen. Es ist dem Mörder ganz und gar nicht egal, was wir von ihm halten. Die Art und Weise, wie er sein Opfer drapiert hat, kommt mir so   … ich weiß nicht, wie ich es nennen soll   … es kommt mir alles so absichtsvoll vor. Als sei dieser Tatort voller Zeichen.»
    Döring verdrehte die Augen. «Kerstin, ich bitte dich! Wir haben es mit einem Mörder, nicht mit einem Voodoo-Priester zu tun. Wir müssen wissen, ob sie ihn freiwillig hereingelassen hat oder ob er gewaltsam in das Haus eingedrungen ist. Und das läuft auf die Frage hinaus: Hat sie ihn gekannt oder nicht?»
    Alle Augen richteten sich auf Walter Schilling. Der Chef der Spurensicherung runzelte die Stirn: «Wie gesagt, wir haben keinerlei Einbruchsspuren gefunden. Nur hilft uns das nicht allzu viel. Es muss noch nicht bedeuten, dass sie ihn freiwillig ins Haus gelassen hat. Genauso gut kann er sich einen Nachschlüssel besorgt haben. Oder er ist einfach durch den Keller marschiert und hat auf sie gewartet. Die Kellertür war nämlich unverschlossen, als wir am Tatort ankamen. Und wie es aussieht, gibt es nicht einmal einen Schlüssel dafür. Jedenfalls haben wir keinen gefunden. Dritte Möglichkeit: Er hat ihr vor dem Haus aufgelauert und sie gezwungen, ihn reinzulassen.»
    «Also?», sagte Kai Döring.
    «Also was?», erwiderte Schilling.
    «Also müssen wir uns doch nach den Wahrscheinlichkeiten richten und davon ausgehen, dass Täter und Opfer sich kannten. Bevor wir anfangen, im Nebel zu stochern, sollten wir versuchen herauszubekommen, wer aus ihrer Umgebung ein Motiv gehabt haben könnte, sie zu töten, und wem es zuzutrauen ist, einen so bestialischen Mord zu begehen.»
    Sowohl Sven Liebmann als auch Manfred Petersen nickten. Und Marthaler merkte, dass auch er beinahe dazu neigte, Kai Dörings Position zuzustimmen. Wenn Döring Recht hatte, würde das die Ermittlungsarbeit wesentlich vereinfachen. Marthaler wollte gerade vorschlagen, die Sitzung für heute zu beenden, als Kerstin Henschel sich noch einmal zu Wort meldete.
    «Es gibt noch eine Variante», sagte sie. «Es könnte sein, dass Gabriele Hasler ihren Mörder wirklich nicht gekannt hat, dass der Täter allerdings sehr genau wusste, wer sie war.»
     
    Die anderen waren längst gegangen, als Marthaler noch immer im Sessel saß und darüber nachdachte, was seine junge Kollegin gesagt hatte. Doch er merkte, dass er zu erschöpft war, um irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen. Und dass sich in seine Überlegungen ständig die Gedanken an Tereza mischten. Schließlich fielen ihm in immer kürzeren Abständen die Augen zu. Sein Kopf neigte sich zur Seite. Er war eingeschlafen.
    Als er kaum eine halbe Stunde später aus unruhigen Träumen erwachte, spürte er, wie sein Herz raste. Sein Mund war trocken, und ein dumpfer Schmerz

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