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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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Sicherheitsdienstes begegnete ihnen niemand. Dann fuhr ein großer BMW mit hohem Tempo an ihnen vorüber und war kurz darauf in der Dunkelheit verschwunden. An einer Ecke sahen sie zwei Wachleute mit ihren Hunden stehen. Der eine der Männer sprach in sein Funkgerät. Marthaler hielt an und ließ die Scheibe herunter. Er fragte, ob die beiden einen Fußgänger gesehen hätten, aber sie verneinten. Marthaler wendete. Er wusste, dass ihre Chance, Drewitz noch auf der Straße abzufangen, mit jeder Minute kleiner wurde. Sie passierten dunkle Lagerhallen und Bürogebäude. In der Franziusstraße kamen sie an einem bunt erleuchteten Haus vorbei.
    «Meinen Sie, er ist hier in den Puff gegangen?», fragte Toller.
    «Nein», sagte Marthaler, der wusste, dass sich in dem Haus ein Bordell befand, das hauptsächlich von den Fernfahrern besucht wurde, die abends hier im Osthafen ankamen und bis zum nächsten Morgen warten mussten, um ihre Ware abzuliefern oder eine neue Ladung aufzunehmen. «Nein, das glaube ich nicht. Aber vielleicht ist der LK W-Fahrer , mit dem Sie gesprochen haben, dorthin gegangen. Vielleicht ist er vom Zollamt gekommen und anschließend ins Bordell gegangen. Und vielleicht hat er Drewitz auf diesem Weg gesehen. Überlegen Sie noch einmal genau, was er gesagt hat.»
    Im Schritttempo fuhren sie weiter. Dann wendete Marthaler erneut. Aber er hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. Er stellte sich darauf ein, dass sie zurückfahren mussten, um den Fotografen vor seiner Wohnung abzupassen. Plötzlich merkte er, wie sein Kollege neben ihm unruhig wurde.
    «Stopp», sagte Toller. «Da ist es.»
    Marthaler wusste nicht, was der andere meinte. Er starrte in die Dunkelheit, ohne zu begreifen. «Was», fragte er, «was soll da sein?»
    «Da. Direkt vor uns. Das ist das Haus. Mir ist es wieder eingefallen. Der Lastwagenfahrer hat von einem kleinen blauen Haus gesprochen, das früher zu einer Maschinenfabrik gehört hat. Da ist die Maschinenfabrik, und da ist das Haus. Beide sind blau verputzt. Wir haben es nur im Vorbeifahren in der Dunkelheit nicht gleich gesehen.»
    Jetzt sah es auch Marthaler. Aber das gesamte Gebäude war dunkel. Die Rollläden waren heruntergelassen. Es gab keinen Hinweis, dass jemand dort drin war. Weder aus der lang gestreckten Fabrikhalle noch aus dem kleinen Häuschen, welches das Grundstück zur Straße hin begrenzte, drang ein Lichtschimmer.
    «Was sollen wir machen?», fragte Toller.
    Marthaler hatte am Straßenrand angehalten. Jetzt stellte er den Motor ab und schaltete die Scheinwerfer aus.
    «Wir warten», sagte er. «Vielleicht ist Drewitz noch nicht da. Vielleicht trinkt er noch irgendwo ein Bier. Wir warten einen Moment, dann sehen wir weiter.»
    «Und wenn er nicht kommt?»
    «Dann haben wir umsonst gewartet. Dann war es so vergeblich wie das meiste, was wir tun. Wir müssen Geduld haben. Es gibt kaum eine Eigenschaft, die für einen Kriminalpolizisten wichtiger ist. Wir haben ständig das Gefühl, dass uns die Zeit davonrennt. Trotzdem müssen wir uns immer wieder zwingen zu warten, um nicht das Falsche zu tun.»
    Marthaler wusste, dass er diese Worte auch an sich selbst gerichtet hatte. Er war es, dessen Ungeduld oft am größten war. Und der deshalb schon häufig in gefährliche Situationen geraten war.
     
    Sie hatten mehr als zwanzig Minuten im Auto gesessen, ohne dass etwas geschehen wäre. Langsam begannen sie zu frieren.Einmal hatten sie von hinten Lärm gehört. Aber es waren nur ein paar betrunkene Männer gewesen, die an ihrem Wagen vorbeigekommen waren und sich in einer fremden Sprache gestritten hatten.
    «Okay», sagte Marthaler schließlich. «Schauen wir uns das Gebäude einmal an. Wir bleiben zusammen, bis ich etwas anderes sage.»
    Der Hof neben der Werkshalle war frei zugänglich. Im schwachen Licht einer Laterne, die über dem Rolltor befestigt war, sahen sie links am Zaun einen Stapel mit Paletten, daneben zwei vergitterte Container mit Metallabfällen. Am Geländer der Treppe, die zu einer kurzen Rampe führte, war ein Gabelstapler angekettet. Marthaler stieg die Stufen hinauf und versuchte das Tor zu bewegen, aber es war mit einem schweren Vorhängeschloss gesichert.
    «Ich denke, wir interessieren uns für das Haus und nicht für die Fabrik», sagte Toller.
    «Ja», erwiderte Marthaler, «aber das Haus liegt an der Straße, und ich habe keine Lust, von irgendeinem Hilfssheriff erwischt zu werden, während ich gerade versuche durchs Kellerfenster zu klettern.

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