Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
Vom Netzwerk:
wüsste ich gerne ein paar Dinge von Ihnen. Zunächst: Glauben Sie, dass Helmut Drewitz der Mörder Gabriele Haslers ist?»
    Marthaler hatte sich diese Frage im Verlauf der vergangenen Nacht und des heutigen Morgens mehrfach gestellt. Und er war immer wieder zu demselben Ergebnis gekommen.
    «Nein», sagte er, «das glaube ich nicht. Außer der räumlichen Nähe seiner Wohnung und seiner Arbeitsstelle zum Tatortspricht wenig dafür. Er ist niemals durch körperliche Gewalttätigkeit aufgefallen. Seine kriminelle Energie ist enorm, aber wenn Sie mich fragen: Er war es nicht.»
    Eissler nickte. «Sie wissen, dass Herrmann etwas anderes denkt.»
    «Nein», sagte Marthaler, «das weiß ich nicht. Ich nahm an, seine Äußerung gegenüber der Presse sei eine taktische Maßnahme gewesen.»
    «Nein, er glaubt wirklich, dass Drewitz unser Mann ist. Und er will, dass die gesamte Energie in die Fahndung gesteckt wird.»
    «Das halte ich für einen großen Fehler», sagte Marthaler.
    «Ich auch», sagte Eissler.
    Marthaler drehte sich auf die Seite und sah den Polizeipräsidenten erstaunt an. «Das heißt?», fragte er.
    «Das heißt, dass wir ein Problem haben. Nach dem, was heute Morgen vorgefallen ist, muss ich Sie eigentlich von der Leitung der Ermittlungen entbinden. Das heißt, Herrmann muss den Fall übernehmen.»
    «Das ist nicht Ihr Ernst. Wissen Sie, was das bedeutet?»
    «Das bedeutet jedenfalls, dass wir uns an dieser Front nicht weiter angreifbar machen.»
    «Sie wollen die Ermittlungen, die Sie selbst für richtig halten, beenden? Nur, damit die Öffentlichkeit beruhigt wird? Und werfen mich den Medien zum Fraß vor.»
    «Verdammt nochmal, Marthaler, hören Sie mir erst mal zu, bevor Sie weiter Dummheiten von sich geben. Genau das will ich nicht. Ich muss einen Spagat machen. Ich will, dass der wahre Täter gefasst wird. Und ich will, dass unsere Arbeit nicht von außen torpediert wird. Aber bevor ich Ihnen einen Vorschlag mache, habe ich eine weitere Frage.»
    «Bitte», sagte Marthaler, «fragen Sie.» Aber er merkte, wie ihn die Worte des Polizeipräsidenten in Unruhe versetzten,weil er zum Spielball einer Politik wurde, die er nicht durchschaute.
    «Wie schätzen Sie im Moment die Chancen ein, den Fall aufzuklären?»
    Wieder überlegte Marthaler lange. Er war kurz davor zu behaupten, dass sie nur noch ein wenig Zeit bräuchten, dass ihre Arbeit in Kürze zu einem Ergebnis führen würde. Aber er wusste, dass das eine Lüge gewesen wäre.
    «Schlecht», sagte er. «Wir haben so gut wie nichts. Trotzdem gibt es nur eine Möglichkeit: Wir müssen weitermachen. Überlegen Sie, was andernfalls passiert. Was ist, wenn wir Drewitz in einer Woche oder in einem Monat fassen und er uns ein Alibi für die Mordnacht präsentiert. Was dann? Dann hätten wir zwar einen Schurken geschnappt, aber es darüber versäumt, nach dem Mann zu suchen, den Sie und ich für den Mörder von Gabriele Hasler halten. Und von dem wir noch immer nicht wissen, wer und wo er ist.»
    Eissler nickte. Er drehte sich zu Marthaler um und kam mit seinem Kopf ein Stück näher, um ihm besser in die Augen schauen zu können.
    «Genau diese Befürchtung habe ich auch. Deshalb schreien Sie mich jetzt bitte nicht gleich wieder an, wenn ich Ihnen vorschlage, dass Sie Urlaub nehmen. Am besten bis zum Ende des Jahres. Ich möchte, dass Sie aus der Schusslinie kommen. Ich möchte, dass wir Herrmann seine Fahndung durchführen lassen. Und dass Sie gleichzeitig weiter ermitteln, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Wir setzen Sie als Libero ein. Offiziell haben Sie Urlaub, in Wirklichkeit arbeiten Sie weiter.»
    Marthaler verstand nicht, was Eissler meinte. «Und wie stellen Sie sich das vor? Dann gehe ich also morgen zu meinen Leuten und sage: Hallo, ich bin nicht mehr euer Hauptkommissar, ich habe Urlaub und bin jetzt euer Libero. Machteuch nichts draus, sonst läuft alles wie bisher. Meinen Sie es so? Und was wäre damit gewonnen?»
    Eissler lachte. «Nein», sagte er, «ganz so wie bisher könnten Sie natürlich nicht weiterarbeiten. Sie sollten, was zu tun ist, von zu Hause aus tun. Wenn nötig, würden Ihnen gelegentlich ein, zwei Leute zur Seite stehen. Das wäre dann von Fall zu Fall zu entscheiden. Je nachdem, was die Lage verlangt.»
    «Egal, wie Sie es nennen: Sie wollen mich kaltstellen.»
    «Nein, Marthaler, Sie verwenden das falsche Wort. Ich will Sie freistellen.»
    Marthaler schüttelte instinktiv den Kopf. Ihm war unbehaglich zumute

Weitere Kostenlose Bücher