Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
Vom Netzwerk:
weitersprechen, ob er dem Skandal noch eine weitere Drehung geben würde. Aber er hatte alles gesagt, was er zu sagen hatte. Als nichts mehr kam, begannen alle durcheinander zu reden.
    Hans-Jürgen Herrmann hatte den Worten seines Hauptkommissars fassungslos zugehört. Jetzt versuchte er, Ruhe in den Saal zu bekommen. Er hielt sein Wasserglas in die Höhe des Mikrophons und klopfte mit einem Stift dagegen. Endlich wandten die Journalisten ihm wieder ihre Aufmerksamkeit zu. Wahrscheinlich hofften sie, dass er nun seinerseits den Schlagabtausch fortsetzen würde. Doch Herrmann war klug genug, das nicht zu tun.
    «Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt wieder Ruhe einkehren lassen könnten. Ich bitte Sie, die Worte von Hauptkommissar Marthaler mit Nachsicht zu bedenken. Wir alle sind nur begrenzt belastbar. Sie haben selbst gehört, welchen Gefahren er letzte Nacht ausgesetzt war. Sie können sich ausmalen, dass eine solche Aktion mit einem immensen Stress für die Beamten einhergeht. Niemand bleibt davon unberührt. So etwas hat unweigerlich Auswirkungen auf die seelische Verfassung eines Menschen. Da bleibt es vielleicht nicht aus,dass man zu scharfen, vielleicht sogar zu ungerechten Worten greift.»
    «Merken Sie», raunte die junge Journalistin Marthaler zu, «er ist gerade dabei, Sie für überfordert zu erklären.»
    Ja, dachte er, ich merke es.
    «Und noch etwas», fuhr Herrmann fort, «Sie haben sehr wohl jedes Recht, Fragen zu stellen. Ich hege größte Wertschätzung für Ihre Arbeit. Und ich weiß durchaus zu würdigen, welch wertvolle Hilfe die Medien uns bei vielen Fahndungen schon geleistet haben. Ich schlage also vor, dass wir dort weitermachen, wo wir aufgehört haben. Die vierte Frage von Herrn Grüter lautete, ob wir davon ausgehen, dass Helmut Drewitz den Mord an Gabriele Hasler begangen hat. Ich glaube, diese Frage mit einem vorsichtigen, aber nachdrücklichen Ja beantworten zu können. Ja, es spricht vieles dafür, dass wir seit gestern wissen, wer die Zahnärztin umgebracht hat. Der Gesuchte hat nicht nur in der Nähe des Opfers gewohnt, auch das Restaurant, wo er als Aushilfskoch gearbeitet hat, lag nur wenige Minuten von dort entfernt. Das heißt, wir können unsere Bemühungen jetzt ganz auf die Fahndung nach Helmut Drewitz konzentrieren.»
    Nein, dachte Marthaler, erzähl, was du willst, genau das werden wir nicht tun. Wir werden weiter in alle Richtungen ermitteln.
    Marthaler drängte sich durch die Traube von Journalisten. Er hatte das Gefühl, dass jeder, an dem er vorbeikam, ihn anstarrte. Als er endlich den Ausgang des Saals erreicht hatte, atmete er auf. Er lief alleine über den langen Gang, als er eilige Schritte hinter sich hörte. Dann wurde sein Name gerufen.
    «Marthaler, warten Sie. Einen Augenblick, Herr Hauptkommissar!»
    Marthaler drehte sich um. Es war Arne Grüter, der auf ihn zukam. Marthaler schüttelte ungläubig den Kopf und gingweiter. Aber der Reporter war bereits einen halben Meter hinter ihm. Er sprach jetzt hastig auf ihn ein.
    «Geben Sie uns ein Interview. Ich hätte gerne noch ein paar O-Töne über den Konflikt zwischen Ihnen und Herrmann. Wir sind auch bereit, gut dafür zu zahlen.»
    Marthaler war verwundert über die Dreistigkeit dieses Angebots. Er wusste, dass die Presse immer wieder versuchte, einzelne Polizisten zu bestechen, um an interne Informationen zu gelangen. Aber er hätte nie gedacht, dass jemand ihm hier auf den Gängen des Präsidiums Geld anbieten würde. Er zwang sich, seine Wut zu beherrschen und den Journalisten zu ignorieren. Er wollte sich nicht auf noch einen Wortwechsel einlassen, wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden.
    Aber jetzt legte Arne Grüter ihm eine Hand auf die Schulter. Reflexartig drehte Marthaler sich herum und hob mit derselben Bewegung seinen Arm, um sich aus dem Griff des Reporters zu befreien. In diesem Moment wurde er fotografiert. Erst jetzt sah er den Mann mit der Kamera, der etwas abseits in einem Türrahmen stand. Marthaler war auf einen alten Journalistentrick hereingefallen. Er hatte sich provozieren und zu einer hastigen Bewegung verleiten lassen. Mehr hatte Grüter nicht beabsichtigt. Er hatte kein Interview von ihm haben wollen, er hatte nur dieses Foto gewollt.
    «Sie sind ein Schwein, Grüter», sagte er. «Und wenn Sie wollen, dürfen Sie das zitieren. Und falls Ihnen keine gute Schlagzeile zu Ihrem Foto einfällt, liefere ich Ihnen die auch noch gleich mit. Wie wäre es damit: ‹Prügel-Bulle

Weitere Kostenlose Bücher