Die Braut sagt leider nein
»Mir ist bloß schlecht. Vor Aufregung.«
»Na toll«, sagte Alex. »Schöne Wiedersehensfeier. Unheimlich leidenschaftlich.« »Tut mir echt Leid.«
»Toll«, sagte Alex wieder. Er drehte mir beleidigt den Rücken zu und schlurfte aus dem Raum. Es war genau, wie Hanna gesagt hatte. Sobald unsere Hormone nicht mehr perfekt aufeinander abgestimmt waren, zeigte Alex sein wahres Gesicht.
Ich blieb zurück und putzte mir nachdenklich die Zähne. War er erst seit neuestem so, oder hatte ich es früher nur nie bemerkt? Tatsache war, dass ich mich keiner Situation entsinnen konnte, in der einer von uns keine Lust auf Sex gehabt hatte, vielleicht hatte ich es deshalb nie gemerkt. Jetzt wusste ich auch, an wen er mich vorhin erinnert hatte. Er hatte ausgesehen wie sein Vater, er würde mal die gleichen Falten um den Mund bekommen. Liebe macht blind, sagte Hanna, und sie hatte Recht. Ich war jahrelang blind vor Liebe gewesen.
Diese Zeiten waren nun vorbei. Ich hatte nicht mal Lust, nach nebenan zu gehen und mich neben Alex ins Bett zu legen. Deshalb ließ ich mir spontan ein Bad einlaufen. Im Regal stand noch eine halbvolle Flasche Cremebad Roma Uomo, das ich Alex zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich liebte den Duft von Roma, und es gab keinen Grund, Alex das Vergnügen zu gönnen, darin zu baden. Also leerte ich die Flasche in die Badewanne, zog mich aus, und ließ mich von Wasser und Schaum zudecken wie von einer warmen Decke. Als ich nach zwei Stunden nackt nach nebenan kam, schlief Alex schon, mit dem Gesicht zur Wand.
Der standesamtlichen Trauung am nächsten Vormittag wohnten nicht viele Menschen bei, nur Hilde und meine Mutter, Hanna und Alex' Kollege Stefan als unsere Trauzeugen sowie die Standesbeamtin. An diesem Tag wurden siebzehn Pärchen getraut, und es hatte bereits Verzögerungen gegeben, sodass ich die Standesbeamtin stark im Verdacht hatte, ihre Ansprache auf mindestens die Hälfte reduziert zu haben. Trotzdem war es eine schöne Zeremonie. Der Regen schlug von draußen an die bleiverglasten alten Fensterscheiben, das Licht war zusätzlich durch das Laub der alten Linden davor angenehm gedämpft, die Stimme der Beamtin melodisch. Ich trug mein rotes Kleid, dazu passende Schuhe und Hannas Tomatenhut. Ich sah sehr gut aus, Alex hatte es mir auf dem Weg hierhin tatsächlich einmal gesagt. Allerdings meckerte er wegen des Hutes, der sei doch wohl mehr was für Karneval. Immerhin war er mit weit besserer Laune aufgewacht, als er eingeschlafen war.
Auch meine Mutter machte mir ein Kompliment, soweit ich mich erinnerte, war das das erste Mal in meinem Leben.
»Wie schlank du aussiehst«, sagte sie, als sie mich vor der Trauung umarmte. »Richtig zart.«
»Das wird sich bald ändern«, sagte ich selbstsicher. »Nach der Hochzeit werde ich aufgehen wie ein Hefekloß.«
»Das muss nicht sein«, sagte meine Mutter, aber sie hatte ja keine Ahnung.
Hanna überreichte Alex die beiden Trauringe von Eduscho für je neunundzwanzig Mark neunzig und flüsterte: »Echt Platin. Lass sie bloß nicht fallen!«
Die Zeremonie für den Staat war nicht halb so kompliziert wie die mit Pfarrer. Wir mussten je einmal ja sagen,uns gegenseitig den Ring anstecken und schließlich unsere Heiratsurkunde unterschreiben. Hilde fotografierte alle wesentlichen Augenblicke mit ihrer praktischen Pocketkamera. Der sündhaft teure Fotograf war erst für morgen engagiert.
Alles klappte völlig reibungslos. Die Standesbeamtin knallte den Stempel unter das Papier und geleitete uns hinaus. Draußen wartete schon das nächste Paar, und das übernächste schritt auch schon im Gang auf und ab.
Ich ließ mich von Alex küssen und über die Wange streicheln. Ich lächelte sogar so strahlend, wie alle Bräute lächeln, wenn sie den Ring am Finger tragen. Hanna zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Vor Montag würde niemand merken, dass ich die Heiratspapiere weder mit meinem alten noch mit meinem neuen Namen unterschrieben hatte, sondern mit Pippi Langstrumpf, ganz genau so, wie es der Standesbeamte in Wermelshoven Hanna für ihren Roman vorgeschlagen hatte. Damit war unsere Eheschließung in jedem Fall ungültig, das hatte auch Hannas Anwalt bestätigt. Allerdings hatte er auch gesagt, dass das eine Straftat sei, wenn man es denn so auslegen wollte. Ich hoffte, man würde ein Auge zudrücken, wenn es soweit war.
Nach dem Mittagessen im kleinen, aber feinen Restaurant neben dem Rathaus und dem längst fälligen Gespräch mit dem Pfarrer
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