Die Braut von Rosecliff
hatte sie Angst gehabt, aber zugleich war etwas in ihrem Innern g e schmolzen… Owains Parodie eines Kusses jagte ihr hingegen eisige Schauer über den Rücken, rief nichts als heftigen Widerwi l len hervor. Er war nicht direkt brutal, aber völlig rücksicht s los. Während er seine Zunge in ihren Mund zwängte, be wegte er wieder aufreizend die Hüften.
Josselyn schlug nach seinem Kopf und hatte die Genugtuung, dass er vor Überraschung grunzte und sie losließ. »Immerhin scheinst du temperamentvoll zu sein«, kommentierte er tr o cken. »Ich werde also nicht das Gefühl haben, mit einer Leiche im Bett zu liegen.«
Sie funkelte ihn wütend an und wischte sich den Mund am Ärmel ab. »Du bist ein Schwein!«, fauchte sie. »Ich mag ein zimperliches Mädchen sein, aber sogar mir ist klar, dass du von Frauen keine Ahnung hast. Sonst würdest du dich nicht so aufführen.«
Das arrogante Grinsen verschwand von seinem Gesicht. »Mit der Zeit wirst du meine Liebeskünste zu schätzen wissen.«
Josselyn fiel plötzlich das alte Wiegenlied ein. Wenn Steine wachsen… Sie wich mehrere Schritte zurück und wiederholte: »Du bist ein Schwein!« Dann rannte sie davon. Das fremde Dorf bot keine Sicherheit, aber ihr Onkel würde sie beschützen. Sie konnte Owain nicht heiraten! Es würde über ihre Kräfte gehen…
Doch die Entscheidung war schon gefallen: Clyde und M a doc hatten sich über alle Einzelheiten des Ehe vertrags geeinigt. Wenn Josselyn sich jetzt weigerte, Owain zu heiraten, würde es ohne jeden Zweifel zu neuen Fehden zwischen den beiden Familien kom men.
Immerhin sollte die Hochzeit nicht sofort stat t fin den, das war ihr einziger schwacher Trost.
»Wann dann?« Owain starrte Clyde herausfo r dernd an. »Ich brauche eine Frau – jetzt!«
Der ältere Mann ließ sich nicht einschüchtern. »Wie war’s mit dem Sankt-Georgs-Tag?«, schlug er ruhig vor. »Bis dahin können Josselyn und ihre Tante in Ruhe alle nötigen Vorbere i tungen tre f fen.«
»Ein vernünftiger Vorschlag«, sagte Madoc. »Vie r zehn Tage wirst du wohl noch warten können, Owain.«
»Die Hochzeit wird in Carreg Du stattfinden«, fuhr Clyde fort. »Und mindestens bis zum Herbst werdet ihr auch dort wo h nen.«
»Kommt gar nicht in Frage!«, knurrte Owain.
»Wenn zwischen unseren Familien in Zukunft wirklich Frieden herrschen soll, wirst du diese Bedingung e r füllen müssen«, rief Madoc seinen Sohn wie der zur Ordnung. »Außerdem kannst du unseren gemeinsamen Kampf gegen die Englä n der leichter organisieren, wenn du vor Ort bist.«
Owains helle Augen schweiften zwischen seinem Vater und Clyde hin und her, und seiner Miene war deutlich anzusehen, wie schwer es ihm fiel, nicht völlig die Beherrschung zu verlieren. Schlie ß lich brachte er ein gezwungenes Lächeln zustande – ein grausa mes Lächeln, das Josselyn erschauern ließ. »Also gut«, willigte er ein. »Wir werden in Carreg Du leben, bis die En g länder in die Flucht geschlagen sind. Danach wird sich jedoch kein Mensch mehr in meine Ehe ein mischen, ist das klar?«
Diese verhüllte Drohung hallte noch in Josselyns Ohren wider, als die kleine Gruppe den Rückweg antrat. Sobald sie Owains Frau war, würde sie ihm auf Gedeih und Verderb ausg e setzt sein… Zwar durfte er sie nicht misshandeln, aber sie befürc h tete, dass er andere Mittel und Wege finden würde, um ihr das Leben zur Hölle zu machen.
Die dunklen Wolken am Himmel waren ein Spi e gelbild ihrer trostlosen Gemütsverfassung, und trotz des dicken Mantels fror sie bis ins innerste Mark. Kein noch so warmes Kleidungsstück würde sie gegen die Kälte schützen können, die Owain au s strahlte…
Ihr Onkel schien zu spüren, wie elend sie sich fühl te, denn als der Waldweg etwas breiter wurde, zügelte er sein Pferd, damit sie an seiner Seite reiten konnte. »Bekümmert dich etwas?«, fragte er mit barscher Stimme, aber Josselyn wusste trotzdem, dass er sich große Sorgen machte.
Sie schüttelte den Kopf. »Alles in Ordnung«, schwindelte sie. Nichts ist in Ordnung, und es wird nie wieder in Ordnung sein, das müsstest du eigentlich wissen, nac h dem du mich mit Owain verkuppelt hast!
Um sich abzulenken, schaute Josselyn zu den Bäu men empor, wo Vögel und Eichhörnchen den Früh ling mit fröhlichem Zwitschern und Fiepen begrüß ten. Die Espen waren bis auf winzige Knospen noch kahl, während die Eichen sogar im Winter einen Teil ihrer Blätter behalten hatten. In der Astgabel ei nes Haselnussbaums
Weitere Kostenlose Bücher