Die Braut von Rosecliff
gespannt, dass Josselyn sich rasch nach Bower umdrehte. »Alles in Or d nung«, beruhigte sie ihn. An Owain gewandt, erklärte sie kalt: »Du tust mir weh.«
Nach kurzem Zögern ließ er ihren Arm los. »Tut mir Leid, Josselyn. Ich vergesse manchmal, wie stark ich bin.«
Ohne etwas darauf zu erwidern, eilte sie an ihm vorbei, nach außen hin gefasst, doch innerlich von kaltem Grauen e r füllt. Flüchtig tauchte Randulf Fitz Hugh vor ihrem geistigen Auge auf. Er war ihr Feind, und Owain war ihr Verbündeter. Dennoch – wenn sie wählen könnte, würde sie zum Feind re n nen, den sie viel weniger fürchtete als den angeblichen Freund.
Ihre Wünsche spielten aber keine Rolle, rief sie sich ins G e dächtnis, während sie die mit Fackeln erhellte Halle betrat. Ihre persönliche Zukunft war unwichtig, verglichen mit der Zukunft des walis i schen Volkes. Sie musste Owain heiraten, um ihr Land von den Engländern zu befreien. Ihm würde sie sich hi n geben müssen, er würde der Vater ihrer Kinder sein… Aber sie wusste schon jetzt, dass es eine Qual sein würde, mit di e sem Mann das Bett zu teilen.
Sie schlief sehr schlecht, in einem kleinen Zimmer ge genüber dem ihres Onkels. Bower schlief auf dem Fußboden vor ihrer Tür – eine symbolische Geste, hatte ihr Onkel versichert, aber das glaubte sie nicht so recht. Er hatte Owain den ganzen Abend über scharf beobachtet, und Josselyn kannte ihn gut genug, um zu spüren, dass Öwains Gebaren ihm genauso zuw i der war wie ihr, dass die ganze Situation ihm nicht behagte.
Die Männer schliefen noch, als sie aufstand. In der Halle waren drei Dienstboten mit der Zub e reitung des Morgenmahls beschäftigt. Überwacht wurden sie von einer älteren Frau, Madocs ve r witweter Kusine Meriel, die den Haushalt führte. Am Abend, in Ge genwart der Männer, hatte sie kein Wort gesagt, doch jetzt begrüßte sie Joss e lyn mit einem schwachen Lächeln.
»Setzt Euch ans Feuer. Ich bringe Euch gleich etwas Warmes zu trinken.«
»Danke, aber Ihr braucht mich nicht zu bedi e nen.«
Meriel zwinkerte ihr verschmitzt zu. »Es wäre sehr töricht von mir, Euch nicht zuvorkommend zu behan deln. Ich wäre heilfroh über die Gesel l schaft einer Frau in diesem Männerhaushalt. Eine Witwe und zwei Witwer – das ist nicht das Wahre…« Offenbar hatte sie das Bedürfnis, jemandem ihr Herz ausz u schütten. »Einer von uns dreien sollte unbedingt wie der heir a ten, und Owain ist der wahrscheinlichste Kandidat. Habt Ihr seinen Jungen schon kennen ge lernt?«
»Seinen Jungen? Nein, aber…«
»Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen. Er wird sich schon damit abfinden.«
»Damit abfinden? Heißt das…«
»Er will nicht, dass sein Vater wieder heiratet«, fiel Meriel ihr ins Wort und senkte die Stimme zu einem vertraulichen Flü s tern. »Aber Owain ist es ganz egal, was sein Sohn denkt. Mei s tens treibt Rhys sich oh nehin allein irgendwo in den Hügeln herum. Der Junge ist ein Einzelgänger, der meisterhaft mit Pfeil und Bogen umgehen kann, von der Angelrute ganz zu schweigen.«
»Wie alt ist er denn?«, fragte Josselyn, als die Frau kurz Atem holen musste.
»Wie alt? Hmm, da muss ich überlegen… Geboren ist er in dem schrecklich kalten Winter, als so vie le Bäume der Schneelast nicht mehr gewac h sen wa ren…« Sie zählte an den Fingern ab. »Jener eisige Winter… dann das Jahr, als Meghan starb… das Jahr, als Toff krank wurde… das Jahr des großen Fiebers… das Jahr, als Gaenor ihr Baby verlor… ein Jahr später ist sie selbst gestorben… Gaenor war Madocs Toch ter«, erklärte sie. »Er muss etwa sieben Jahre alt sein, glaube ich.«
»Sieben? Und streift allein durch die Gegend? Wo schläft er denn?«
Meriel zuckte mit den Schultern. »Manchmal hier am Feuer, manchmal im Pferdestall.« Sie schütte l te den Kopf. »Zerbrecht Euch nicht den Kopf über ihn. Es ist sein Vater, mit dem Ihr gut auskommen müsst.«
Ein kalter Schauer lief Josselyn über den R ü cken. »Ja«, murmelte sie unglücklich. »Ich bin wegen Owain hier.« Konnte sie der älteren Frau vertrauen? Sie wägte ihre Worte sorgfältig ab. »Könnt Ihr mir einen Rat geben, wie ich mich verhalten soll, damit diese Ehe… nun ja… einf a cher wird?«
Meriel ließ sich mit ihrer Antwort viel Zeit. »Ich will Euch nicht belügen – eine Ehe mit Owain wird nie einfach sein. Er ist kein übler Kerl, aber er kann ein Tyrann sein. Seine erste Frau war viel zu schwach… Er ist ein Mann wie sein Vater und
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