Die brennende Gasse
tun. Aber wenn irgend jemand Unterlagen über Ärzte hat, dann sie. Lassen Sie sich bloß einen freundlich klingenden Grund für Ihre Anfrage einfallen. «
» Die Familie einer Frau, die an Osteoporose-Komplikationen gestorben ist, möchte mit einem Teil ihres Vermögens einen Lehrstuhl stiften, aber anonym bleiben. Deshalb haben sie uns von der Stiftung gebeten, einen Orthopäden zu suchen, jemanden, der nach den Ausbrüchen etwas wirklich Sinnvolles gewagt hat, falls er oder sie da noch lebte. «
» Ich werde Ihnen gern eine Liste schicken, aber die ist wahrscheinlich ziemlich lang … das waren harte Zeiten für Ärzte. «
» Ja, nicht wahr? Aber eine lange Liste ist gut; wir führen gern die notwendigen Recherchen durch, wenn alle Namen darauf stehen. Keinesfalls möchten wir versehentlich jemanden übersehen. «
» Unsere Akten sind absolut vollständig. Und ich besorge sie Ihnen gern. Aber ich habe eine Bitte an Sie – würden Sie vielleicht so freundlich sein, uns den Namen des Erwählten mitzuteilen, wenn die Entscheidung gefallen ist? Das wäre sehr nett. «
» Kein Problem. Ich werde Ihnen selbstverständlich mitteilen, auf wen wir uns konzentrieren. «
» Fein. Wir halten uns gern auf dem laufenden über unsere Mitglieder, selbst wenn sie nicht mehr bei uns sind. «
» Ja «, sagte Janie bitter, » das weiß ich. « Sie gab dem Public -R elations-Beauftragten der AMA ihre E-mail-Adresse bei der Stiftung.
Die Liste kam weniger als eine Stunde später und führte eine entmutigende Anzahl von verheißungsvollen und prominenten Orthopäden auf, die den bösen Bakterien des neuen Jahrtausends zum Opfer gefallen waren, insgesamt fast vierhundert.
Und das sind bloß die, die damals noch in der AMA waren.
Derjenige, den sie eigentlich wollte, war möglicherweise nicht einmal dabei.
Doch mit schmerzlichem Hohn erinnerte sie sich daran, sollten die Akten ja zuverlässig vollständig sein. Sie fragte sich, wie ihre eigene Akte bei der AMA aussehen mochte, entschied dann aber, daß solche Spekulationen kein produktiver Gebrauch von Speicherplatz im Gehirn waren.
Für die vor ihr liegende Liste galt das nicht. Durch wiederholte und logische Eliminierungsprozesse auf der Grundlage von Spezialisierungen, Wohnort, Mitgliedschaft in der Vereinigung und einigen weiteren Faktoren engte sie die Liste auf fünfzehn mögliche Kandidaten ein.
Die Frage nach dem Patienten Null war wirklich nicht so leicht zu lösen.
Sah es in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg so ähnlich aus – alle Akten ein Chaos, einige Leute, die ihre Identität unbedingt wiederherstellen wollten, andere, die genauso verzweifelt versuchten, ihre auszulöschen? Vermutlich, dachte Janie. Vieles von dem, was während MR SAMS Aufstieg an die Macht vorging, blieb undokumentiert – weil die Leute viel zu sehr damit beschäftigt waren, am Leben zu bleiben, um sich über die Registrierung dessen Sorgen zu machen, wer was mit wem angestellt hatte und aus welchem Grund. Viele Menschen waren einfach in dem verschwunden, was inzwischen scherzhaft als Schwarzes Loch der Ausbrüche bezeichnet wurde. Janie argwöhnte, daß dieses Schwarze Loch in Wirklichkeit ein ganz normales Leben unter einer ausgetauschten Identität bedeutete – das Leben von Leuten, die vor dem ganzen Horror zu den Randgruppen gehört hatten, den Marginalen, die ihre eigen e Z ukunft so weit verbaut hatten, daß sie in keiner Weise mehr dem amerikanischen Traum entsprachen. Welche idealere Möglichkeit gab es, noch einmal von vorn anzufangen, als unter der alten Identität zu sterben und als unbescholtener normaler Bürger wieder aufzuerstehen? Das würde sich niemals rekonstruieren lassen.
Schulen? Krankenhäuser? Wohltätigkeitseinrichtungen? Alle hatten wahrscheinlich Unterlagen, beklagenswert unvollständig, und vieles von dem war sicherlich auf Big Dattie übertragen worden; doch alle diese Informationen standen zweifellos unter dem Schutz der Gesetze über die Privatsphäre.
Das galt allerdings auch für legitimierte Forscher.
Wir haben das schon einmal gemacht.
Doch das hatte sich als tödlich erwiesen; die tragischen Konsequenzen würden ihr für den Rest ihres Lebens Schuldgefühle verursachen, was auch für Michael und Caroline galt. Janie konnte sie nicht nochmals um Hilfe bitten.
Aber Sandhaus einzuschalten war eine andere Sache. Er hatte zwar gegen die ganze Computerei seine Vorbehalte, doch irgendwo in seiner akademischen Trickkiste der forensischen Kriminologie
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