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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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günstigere Gelegenheit ergäbe, wenn dieser Ausflug gut verlief. De Chauliacs Wachsamkeit würde erst allmählich nachlassen, und dann käme seine Chance. Heute würde sie sich nicht bieten, das stand fest.
    Es war ihm ein großer Trost, wieder auf einem Pferd zu sitzen, obwohl er den vertrauten breiten Rücken seines eigenen Reittiers vermißte. Dieses war kleiner und hatte einen langsameren und gemächlicheren Gang, ganz anders als das nervöse Tänzeln seines Hengstes. Er konnte nicht vorhersagen, wie dieses Pferd reagieren würde, wenn er ihm die Fersen in die Flanken drückte und die Zügel straffte, um es zu beschleunigen. Doch es beruhigte ihn, seine Tasche bei sich zu haben, die man hinter seinen Sattel geschnallt hatte. Während sie dahinritten, spürte er ihren Druck im Kreuz, wie seit fast einem Jahrzehnt auf seinen Reisen.
    Was er bei diesem Ritt am schmerzlichsten vermißte, war die Gesellschaft des Kindes, inzwischen zur Frau geworden, die so innig zu ihm gehörte.
    Der Dauphin, der eines Tages auf dem französischen Thron sitzen würde, wenn alles nach dem Plan seines Vaters, des Königs Johann, verlief, bewohnte eine noch prachtvollere Residenz als diejenige von de Chauliac. Doch als sie eintraten, fühlte sich Alejandro sofort an Windsor Castle erinnert, und zwar durch die Möbel, die wiederum schlichter waren als die im Hause de Chauliac. Vielleicht, so überlegte er, hatte man dem Prinzen Lionel zu seiner Bequemlichkeit seine eigenen Möbel gesandt; denn eine königliche Geisel hielt man am besten bei Laune, indem man sie mit ihren vertrauten Habseligkeiten umgab.
    Geoffrey Chaucer führte sie in das Schlafgemach, einen großen Raum mit hohen Fenstern und üppiger Ausstattung. Ein massives Bett mit hohen Pfosten und einem schweren Baldachin stand an einer Wand; zu beiden Seiten hingen farbige Tapisserien, die diesen oder jenen Heiligen bei dem einen oder anderen betreffenden Wunder darstellten. Auf diesem Bett lag unter zahlreichen Pelzdecken Prinz Lionel, der sichtlich litt. Er stöhnte, als er sich zu ihnen umwandte.
    An seiner Seite befand sich Gräfin Elizabeth von Ulster, seine Gattin. Die überraschend junge Frau machte ein besorgtes Gesicht und war ungewöhnlich blaß, selbst im Vergleich zu dem weißen Schleier, der von ihrem Kopfputz hing. Doch das ist die heutige Mode, erinnerte sich Alejandro. Keine Frau von Rang würde sich erlauben, so rosig auszusehen, als habe sie sich an der frischen Luft aufgehalten. Adeles elfenbeinfarbene Haut fiel ihm ein, und er sah sie vor sich, wie sie sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf zog, um ihr Gesicht vor der Sonne zu schützen.
    Diese Elizabeth war nicht viel älter als Adele damals, als Alejandro sie geliebt hatte. Und die Farbe ihres Haares glich der von Adele so sehr, daß ihm das Herz weh tat.
    Die Gräfin hielt eine Hand ihres Mannes in ihrer, als fürchte sie, er könne ihr entgleiten, und flüsterte ihm ein paar Worte zu, die si cherlich Trost oder Linderung spenden sollten. Dann tätschelte sie ihn sanft und erhob sich.
    Ihr seidenes Kleid raschelte, als sie aufstand. Sittsam hob sie eine Hand an die Brust und berührte ihren Schleier. » Oh! « sagte sie, während sie durch das Zimmer schritt. » De Chauliac! Ich bin so froh, daß Ihr gekommen seid! Als Geoffrey uns sagte, man müsse auch andere Erkrankungen in Erwägung ziehen, wurde mir ganz schwach vor Sorge. « Sie drehte sich nach ihrem Prinzen um und hauchte: » Nicht wahr, mein Liebster? «
    Der Prinz unter seiner Pelzdecke ächzte zustimmend.
    Als Alejandro das übertriebene Jammern hörte, dachte er: Hier ist ein Mann, der sein Laudanum mehr liebt als seine Frau.
    » Seht Ihr! « Elizabeth deutete auf das Leidenslager. » Er hat Schmerzen. Ihr müßt ihm etwas Linderung verschaffen. «
    De Chauliac ließ sich auf ein Knie nieder und neigte den Kopf zur Verbeugung, Alejandro tat es ihm rasch nach. Ich habe all ihre albernen Rituale vergessen, dachte er, während er sich wieder erhob. Fast zehn Jahre lang hatte er sich nicht mehr verneigen müssen. Schon damals gefiel es mir nicht, und heute noch viel weniger!
    » Natürlich sind wir sofort herbeigeeilt, als wir von der traurigen Situation erfuhren. « Chauliac verbeugte sich abermals.
    » Lieber de Chauliac «, säuselte Elizabeth, » Eurer Loyalität sind wir uns zutiefst bewußt. « Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit Alejandro zu. Ihr Blick war zuerst kritisch, als wolle sie sich einfach ein Bild machen, veränderte sich

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