Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Schnapserl«, frage ich ihn und blinzel.
» Jetz hör auf«, sagt er und wird wieder einmal rot, sodass ich zum ungefähr siebenundzwanzigsten Mal heute Abend lachen muss.
Ich fürchte, die Geschichte seiner ersten Flugreise wird man sich noch auf seiner Trauerfeier erzählen. Was nämlich keiner wusste, und er selbst naturgemäß auch nicht: Der Papa hat Flugangst. Ganz schlimme, offensichtlich. Oder zumindest so schlimme, dass er sich dazu gezwungen sah, einen Flachmann voll Weißdornbrand mit sich zu führen, weil Weißdorn doch gut fürs Herz ist, etcetera pepe. Nun wusste der Papa natürlich auch, dass Flüssigkeiten an Bord nicht erlaubt sind. Logisch, die Mama (mit immerhin schon drei Flugreisen nach Catania, Bari und Malaga quasi bereits Senator-Card-Aspirantin) hat ihn ja ungefähr achthundert Mal darauf hingewiesen. Aber irgendwie hat er gedacht, dass er das Ding nur tief genug in der Unterhose versenken müsse, dann würde es schon keiner bemerken. Auch nicht der Metalldetektor.
Tjaja.
Und so hat die ganze Familie nachher ihren Flug verpasst. Erst hat der Papa noch so getan, als sei bloß seine Gürtelschnalle am Alarm schuld gewesen, dann hat er behauptet, es hätte gar nicht gepiepst. Aber als der Sicherheitsbeamte dann den Flachmann in der Gesäßgegend ertastet hat und den Papa bat, ihm das Schmuggelgut auszuhändigen, tat der Papa so, als sei es ein Fall für Amnesty International, wenn Menschen dazu gezwungen werden, in Flughafenkabinen die Hosen auszuziehen, und als sei nicht er, der Papa, ein Fall für die Gendarmerie, sondern diese schrecklichen Flughafenfuzzis. Und überhaupt sei es nicht möglich, den Flachmann abzugeben, denn der sei ein Erbstück seines verstorbenen Vaters und damit unersetzbar. Erst, als der Sicherheitsbeamte dem Papa mit einer Rektaluntersuchung gedroht hat und quasi schon den Gummihandschuh überstreifte, hat er klein beigegeben. Übrigens durfte er den Flachmann am Ende doch mitnehmen, aber ohne Inhalt. Der Rest der Reise war der reine Albtraum, meint die Mama. Eine Panik, man glaube es nicht.
» Lass di ned ärgern von mir«, sage ich, und dabei fällt mein Blick auf die Mama, die mit drei jungen Männern an der Bar herumsteht und über irgendetwas in Gelächter ausbricht. » Und von der Mama auch ned«, füge ich hinzu.
Der Papa schüttelt den Kopf, was ich zunächst als Zustimmung werte, aber dann sagt er: » Ach, Fanny.«
Und dann fällt mir auf, dass er gar nicht seine Frau anstarrt, sondern den Quirin, der nur ein paar Schritte von der Mama entfernt immer noch den Typen mit den Karos umschwirrt. Der Mann ist Galerist, wenn ich mich recht erinnere, auf alle Fälle lief die Sache mit dem Riesenwolpertinger irgendwie über ihn. Einen Augenblick lang sehen wir den beiden zu. Wie der Quirin eine neue Runde bestellt, wie der Typ die karierte Krawatte lockert und den Schnaps hinterkippt, wie der Quirin es ihm nachtut, und sie dann einfach weiterreden, ganz so, als sei es bloß irgendein Klarer und kein Geist von wilden Apfelquitten oder was weiß ich.
Ich schau den Papa an, und bemerke, dass seine Augen möglicherweise gar nicht glasig sind. Es könnten gut auch Tränen sein, die darin glänzen.
» Ach, Papa«, sage ich und lege ihm einen Arm um die Schultern. Ich spüre, wie schwer er atmet. Plötzlich tut er mir wahnsinnig leid, wie er da sitzt. Ich meine, er war quasi verliebt gewesen in den Quirin. Im Vorfeld der Eröffnung haben die beiden ständig miteinander telefoniert, haben diskutiert, was an Schnäpsen auf die Karte kommt und was nicht. Der Quirin hat sogar einen Grafiker besorgt, der ihm die Etiketten schick gestaltet hat, mit einer echten Corporate Identity, richtig modern und nobel – weil bis dahin hat der Papa ja immer bloß Weck-Einkochglas-Etiketten vom Omilein beschriftet. Und jetzt kommt er hier an, wäre beinahe inhaftiert worden auf der Reise, und der Quirin kümmert sich einen Dreck um ihn. Klar, irgendwann vorhin mussten sich alle mal mit ihm auf einen Tisch stellen (das Omilein hat der Schorschi da hinaufgehievt), und er hat jeden Einzelnen vorgestellt, die Omi, die Mama, mich, und den Papa natürlich ebenfalls. Aber leider bloß ganz kurz, als den » Schöpfer der unfassbaren Geister«, was natürlich irgendwie ganz nett war, aber mehr dann halt auch nicht.
» Ach komm, des is eben so«, sage ich. » Heut is Eröffnung, da muss er sich um seine Gäste kümmern. Nimm’s ihm ned übel.«
Ich drücke ihm die Schulter, aber er rührt sich
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