Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
gab und sächselnde, wahnsinnig gestresste Kellnerinnen in Dirndln. Eine Touristenfalle wie aus dem Bilderbuch, in der das einzig authentische die Händlmaier-Krüge waren. Aber wir waren gut drauf, und drum bestellten wir uns jeder eine Bratwurst (schwammig), eine Brezn (schwammig) und ein Bier dazu (immerhin echtes Hofbräu, wobei die Omi findet, dass es auch in Bayern nichts taugt).
» Servus, Fanny«, sagt der Papa nun und blickt blinzelnd in eine andere Richtung.
Ich drücke ihn noch einmal, dann wende ich mich der Mama zu.
» Mach’s gut, Mama«, sage ich, und tue etwas, was ich nur ganz selten tue: Ich nehme sie in den Arm. Und staune nicht schlecht, als sie mir laut schmatzend links und rechts zwei Bussis über die Schultern wirft. Man kann sagen, was man will, aber schnell lernen tut sie.
» Servus, Fanny«, sagt sie und knetet mir die Schultern. » Viel Spaß in der großen Stadt. Ich bin ganz neidisch.«
Dann ist das Omilein an der Reihe.
Ich beuge mich zu ihr runter und umarme auch sie, und sie tätschelt mir die Schulter, als wolle sie mich beruhigen. Was freilich überhaupt nicht nötig ist, denn ich bin ruhig. So ruhig, wie du nur sein kannst, wenn du in wenigen Minuten alles hinter dir gelassen haben wirst und gleich endgültig dein neues Leben beginnt.
» Oiso, Fanny«, sagt sie. » Auf geht’s, gell?«
Dann greift sie zu mir hoch und nackelt mir von da unten die Wange, was mich zu jedem anderen Zeitpunkt wahnsinnig geärgert hätte, mich aber jetzt und hier irgendwie rührt. So richtig überzeugt hat sie die Berliner Version der Minghartinger Stuben nicht, aber dass sie mir trotzdem zu verstehen gibt, dass sie mein Vorhaben unterstützt, das ermutigt mich.
» Ach, Omi«, sage ich, und mir geht fast das Herz über vor Zuneigung.
» Werd scho«, antwortet sie und blinzelt mir schelmisch zu. Dann stellt sie sich zur Mama in die Schlange vor dem Gate. Nur mein Vater steht immer noch da, als würde er auf etwas warten.
» Na, Papa?«, frage ich, und er seufzt vernehmlich.
» Was is? Magst hierbleiben bei mir?«, frage ich und stupse ihn neckend an.
» Um Gottes Willen«, sagt er mit erschrockenem Gesicht und schaut, dass er seiner Frau hinterher kommt.
» Schick mir die Bilder vom Checkpoint!«, rufe ich ihm nach, und er hebt den Arm, um mir zu signalisieren, dass er mich gehört hat.
Die Omi marschiert forsch durch die Sicherheitsschranke, die Mama nimmt vorher ihren Nietengürtel ab, dann ist der Papa dran, diesmal ohne jegliche Probleme.
» Servus«, rufe ich den dreien noch hinterher, aber der Lärm der anderen Fluggäste verschluckt meine Stimme. Ich beobachte, wie der Papa misstrauisch in die Auslage das Breznstands am Gate lugt und in der Menschenmenge verschwindet. Ein Stich geht durch mein Herz, und ich frage mich, wann ich die drei wohl wiedersehen werde. Im Sommer? In den Weihnachtsferien? Wir haben gar nichts abgemacht, und jetzt ist es zu spät.
Wir sind mit dem Taxi hergekommen, aber jetzt, wo ich allein und ohne Anhang bin, wage ich mich mit Bus und U-Bahn auf den Rückweg. Die Reise ist zwar lang, aber so kompliziert dann doch wieder nicht, und mein Selbstvertrauen wird größer, je länger ich unterwegs bin. Es wächst und gedeiht, obwohl mich mein Weg durch heruntergekommene Bahnhöfe führt, die Sitze mit Graffiti verziert sind und im Laufe der Fahrt mindestens 69 Leute ein- oder aussteigen, die rein optisch als gewalttätige Schwerverbrecher oder mindestens Drogendealer durchgehen würden, und obwohl ich mich zwischenzeitlich doch sehr zusammenreißen muss, um nicht wie ein eingeschüchtertes Zwergkarnickel in die Welt zu blicken. Als ich am Ende der Reise am Görlitzer Bahnhof endlich die Treppen hinabsteige und wieder weiß, wo ich mich befinde, fühle ich mich so cool, dass George Clooney neben mir wie ein Bub mit vollen Windeln wirken würde.
Ich meine, hey! Ich führe ein Wirtshaus! In Kreuzberg, dem angesagtesten Viertel Berlins! Das soll George Clooney erst mal hinkriegen!
Ich freue mich so sehr, dass ich am liebsten wie ein junges Fohlen durch die Straßen springen will.
Eigentlich hatte ich ja geplant, vor der Arbeit noch einmal kurz in das riesige Dachgeschoss-Appartement zu gehen, das mir der Quirin für einen lächerlichen Preis vermietet und an das ich mich immer noch nicht ganz gewöhnt habe, weil es so großzügig und luxuriös und schick ist. Es liegt praktischerweise keine zwanzig Minuten Fußmarsch vom Wirtshaus entfernt, ich muss nur an dieser
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