Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Geschirrtuch und verbindet mir damit die Augen. » Ich hab deine Familie übrigens doch noch überreden können, zur Eröffnung zu kommen.«
» Was? Wie hast’n des hingekriegt?«, frage ich, aber Quirin antwortet nicht, und wegen der Halbleinen-Augenbinde kann ich auch nicht erkennen, was für ein Gesicht er macht.
» Hier entlang«, sagt er und bugsiert mich um die Ecke, und dann noch ein paar Meter geradeaus. Ich höre, dass wir durch eine Schiebetür gehen und habe dann den Eindruck, einen anderen Raum zu betreten.
» Hier links … noch ein paar Meter … und jetzt hinsetzen … halt, warte! Hier!«
Ich komme auf einer Bank zu sitzen. Vor mir kann ich eine Tischplatte ertasten, eine Tischplatte aus altem, lackiertem Holz, wenn ich mich nicht irre.
» Noch nicht gucken«, sagt Quirin und verschwindet wieder durch die Schiebetür.
Ein paar Minuten vergehen, Minuten, in denen ich ins Schwarze blicke und nicht den blassesten Schimmer habe, wie groß oder hell oder dunkel der Raum ist, in dem ich mich befinde. Dann höre ich, wie sich jemand nähert. Besteck wird vor mir hingelegt, dann ein Teller abgestellt.
Der Duft von Kraut und Gebratenem steigt mir in die Nase.
» Und jetzt guck«, sagt Quirin und nimmt mir die Binde ab.
Und ich gucke. Und wie.
6
» Darf ich vorstellen«, höre ich Quirins Stimme durch den Lärm der Menschenmenge, dann spüre ich eine Hand, die mich am Ärmel packt.
Mist. Ich wollte gerade noch einmal versuchen, mich durch das Gedränge der Gäste in Richtung Ausgang zu wurschteln, denn hier drinnen herrscht ein solches Chaos, dass es vollkommen unmöglich ist, ein Telefonat zu führen. So langsam werde ich nämlich unruhig. Es ist halb neun, und das Flugzeug, das meine Familie von München nach Berlin bringen sollte, müsste bereits vor vier Stunden gelandet sein, aber es ist immer noch keiner hier aufgetaucht. Gerade eben hat das kleine Hotel angerufen, in dem Quirin die drei untergebracht hat, und das nur ein paar Schritte die Straße hinunter liegt. Die Empfangsdame war dran, reichlich ungeduldig. Die Rezeption schließe bereits um acht, ob sie mir nicht die Zimmerschlüssel vorbeibringen könne, sie wolle so langsam nach Hause gehen. Als sie dann eben vor mir stand und mir die Schlüssel in die Hand gedrückt hat, ist mir klar geworden, dass ich die drei hätte abholen müssen, stressige Partyvorbereitungen hin oder her. Ich meine, die Mama, der Papa und die Omi ganz allein in Berlin? Wer weiß, wo die drei abgeblieben sind.
Ich versuche so zu tun, als würde ich die Hand meines Chefs nicht bemerken, aber Quirin packt so dermaßen zu, dass mir nichts anderes übrig bleibt als stehenzubleiben und mich zu ihm umzudrehen.
» Autsch«, rufe ich und sehe ihn böse an.
» Meg«, sagt Quirin und schiebt mich in Richtung einer Frau mit roter Hochsteckfrisur und Lippenpiercing. » Meg, das ist Fanny Ambach. Ihre Urururgroßeltern haben die Minghartinger Stuben gegründet. Sie ist quasi das Herz von dem allen hier.«
Ich ziehe artig die Mundwinkel hoch und versuche, mir meine Anspannung nicht anmerken zu lassen. Die Frau greift meine Hand und lächelt.
» Toll«, sagt sie. » Ganz toll.«
» Und das«, sagt Quirin, » ist Meg Rosenberg, die Chefredakteurin von Zitty.«
» Ah!«, sage ich und tue erfreut, obwohl ich nur eine ungefähre Vorstellung habe, was Zitty ist – irgendein Stadtmagazin, das weiß ich, aber ganz ehrlich, Quirin hat mich heute schon so vielen Journalisten vorgestellt, dass ich langsam den Überblick verliere. » Na, dann herzlich willkommen hier!«, sage ich und bemühe mich ganz ernsthaft, Herzlichkeit auszustrahlen. Bis vorhin gerade eben wäre mir das auch noch ohne Weiteres gelungen, aber so langsam spielt meine Fantasie verrückt. Ich visioniere die Mama, den Papa und das Omilein in einer Seitenstraße im finstersten Wedding, ausgeraubt und zum Paket verschnürt von einem gewalttätigen, skrupellosen Taxigangster, der Omileins Glauben daran, dass nur Bares Wahres ist, ausgenutzt und ihr die Handtasche ausgeräumt hat.
» Toll ist das hier, ganz ehrlich«, sagt die Chefredakteurin. » Und dieses Zeug hier«, sie deutet auf das Glas in ihrer Hand, » wie heißt das gleich wieder? Es schmeckt fan-tas-tisch!«
» Fränzi«, sage ich, zum ungefähr hundertsten Mal an diesem Abend. » Ein Prosecco aus Bayern. Ganz was Besonderes.«
» Ich glaub, ich besorg mir gleich noch einen«, sagt sie, ext ihr Glas und verschwindet Richtung Tresen.
Uffz. Meine
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