Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Mittleren Ring eine rote Ampel übersehen hat und von einem VW Bulli erfasst wurde. Und, na ja, was soll ich sagen? Die BMW ist einigermaßen heil geblieben. Der Opa nicht.
Seit Opas Tod meidet das Omilein Städte, die mehr als zehntausend Einwohner haben. An schlechten Tagen ist ihr sogar schon Bad Tölz zu viel. Und sie arbeitet nur noch. Tag und Nacht quasi. Natürlich hat die Omi schon immer eins a gekocht, sagt zumindest der Papa, vom selbstgemachten Kraut bis zu den handgerollten Knödeln. Aber erst nach dem Tod vom Opa hat sie angefangen, wirklich alles selber zu machen – die Bratwürstel, den Apfelkren, die Panade für’s Backhendl. Sogar in der Ketchup-Herstellung hat sie sich einmal versucht, aber nachdem die kleine Mercedes Schaller von nebenan über ihrem Pumuckl-Teller einen Tobsuchtsanfall bekam, hat sie dann doch wieder Heinz eingeführt. Und auf den guten Händlmaier-Senf, auf den lässt sie natürlich nichts kommen.
Die einzige Zerstreuung, die sich die Omi hin und wieder gönnt, sind dienstags ihre Besuche auf dem Minghartinger Friedhof, wo sie für ein halbes Stündchen mit dem Opa spricht. Und hin und wieder liest sie die schönsten Stellen in ihren geliebten Heftchenromanen nach, in Silvia-Schicksal, Bianca und Baccara. Im Herzen ist das Omilein nämlich Romantikerin, nur zeigen mag sie das halt nicht. Aber ich kenne sie. Und deshalb weiß ich auch, dass es sie wahnsinnig traurig macht, wie weit ich davon entfernt bin, ihr ein paar Urenkel zu schenken. Ich hab auch keine Ahnung, woran es liegt, dass das mit mir und den Männern nie was wird. Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich noch Jungfrau wäre. In meiner Schulzeit war ich mal ein Jahr lang mit einem Jungen aus Utting zusammen, der zwei Klassen über mir war, und während meiner Zeit in Pforzheim hat es auch mal das eine oder andere Gspusi gegeben. Und dann war da noch diese Geschichte mit Gregor, einem Wolfratshauser Grafikdesigner, in den ich am Anfang über beide Ohren verliebt war, der jedoch nach wenigen Wochen wollte, dass ich ihn, statt mit ihm zu schlafen, an einer Hundeleine im Wohnzimmer auf und ab führe und ihm sein Abendessen im Fressnapf serviere. Die Omi war todtraurig, als ich ihn verlassen habe, was kein Wunder war, ich hab es ja nie über mich gebracht, ihr den Grund für diesen Schritt zu verraten. Ohne Mann, findet die Omi, ist das doch alles nix.
» Fanny!«
Ihr Kopf erscheint im Küchenfenster.
» Was?«, rufe ich, dabei kann ich’s mir denken.
Das Omilein macht eine unwirsche Geste, dann verschwindet ihr Kopf, und das Küchenfenster schließt sich. Ich hieve zwei Kartons Wein aus dem Kofferraum, trage sie ins Haus und stelle sie hinterm Tresen ab. Dann nehme ich die vier Bratwürste an Kraut aus der Durchreiche zur Küche, bringe sie dem Herrn Rubenbacher und zapfe ihm schleunigst sein Bier.
» An Guadn«, wünsche ich ihm, aber der Rubenbacher ist schon so sehr in den Genuss von Omis Würstchen versunken, er bemerkt nicht einmal, dass er nichts gehört hat.
Als ich zurück zum Tresen gehe, lugt mir die Omi durch die Durchreiche entgegen.
» I dad amoi nach deim Auto schaung«, sagt sie und grinst listig.
» Warum?«, frage ich, aber sie antwortet nicht, sondern zieht eine Augenbraue hoch und grinst noch breiter.
Mir schwant Böses. Und als ich aus dem Wirtshaus hinaus auf den Parkplatz trete, wird meine Ahnung Gewissheit.
Wie war das? Sprach ich eben von » der kleinen Mercedes Schaller von nebenan«? Ich muss mich korrigieren. Ich hätte natürlich sagen müssen: »Mercedes Schaller, der Teufel von Mingharting.« Mercedes ist die Tochter von unserer Nachbarin Iris Schaller, ein neunjähriges Mädchen, das nicht nur verwöhnt ist bis dorthinaus, sondern auch hinterlistig und böse. So böse, dass sie ausgerechnet am Haxentag Mayonnaise in die Seifenspender im Männerklo füllt. Oder der gehbehinderten Weingschwendtner-Mami unterm Tisch die Schnürsenkel verknotet. Neulich hat sie sogar einen Karpfen aus dem Weiher hinterm Brennkessel vom Papa versteckt, wo er ihn natürlich schon nach wenigen Stunden gerochen hat – gefunden aber leider erst, als man sich in der Scheune kaum noch aufhalten konnte, ohne ohnmächtig zu werden.
Dagegen ist das hier im Prinzip lächerlich. Das Gör hat einen Karton aus dem Kofferraum aufgerissen, eine Flasche aufgeschraubt und malt jetzt mit Omis gutem Dornfelder Fratzen in den Kies. Ein Riesensmiley hat sie schon geschafft, dem entweder ein fetter Joint oder bloß die
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