Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
sein, so wie dieser Hochspringer, der mal eine Frau war, oder diese Miss-Universe-Kandidatin, die schon als vierzehnjähriger Junge angefangen hat, Hormone zu nehmen, damit das mit dem Bartwuchs gar nicht erst was wird. Mit dem Papa ist das ungefähr so ähnlich. Er ist als Wirtssohn geboren, was, wenn man in Bayern auf dem Land lebt, quasi Schicksal ist, absolut unausweichlich. Ungefähr so zwangsläufig wie die britische Thronfolge oder die Drogenkarriere eines Rockgitarristensprosses. Das wäre nun eigentlich gar nicht weiter schlimm, weil der Papa im Grunde nicht der Typ ist, der sich groß wehrt gegen die Wendungen, die das Leben nimmt. Nur halt in dieser einen Sache, da ist er absolut entschieden: Ausgerechnet im Wirtsdasein findet er keinen Sinn. Klar, bei ein paar Gästen setzt er sich schon auch mal dazu. Wenn der Burschenverein kommt, zum Beispiel, und bei den Fußballern eh, und bei den Schafkopfern spielt er sogar mal die eine oder andere Runde mit. Aber mit dem Wirtshaus an sich, also mit der Küche oder dem Ausschank, und mit dem Serviettenbestellen und dem Mit-der-Brauerei-telefonieren? Niente, nichts. Allenfalls bringt er mal einen einzelnen Teller an irgendeinen Tisch, aber selbst das eigentlich nur, wenn darauf eine für ihn bestimmte Scheibe Schweinsbraten liegt und ich gerade nicht in Hörweite bin.
Was er stattdessen gern wäre? Na, sagen wir es so: Könnte man sich einer Existenzumwandlung unterziehen, dann ließe sich der Papa zum Fußballtrainer umoperieren. Tag und Nacht studiert er den Kicker, Sport-Bild und das FC Bayern-Forum bei Transfermarkt.de. Das Omilein sagt, dass er die Fußballleidenschaft ganz klar vom Opa hat. Als die Mama vom Papa wird sie das schon wissen.
Zu seinem anderen Hobby fällt allerdings auch ihr nicht viel ein.
Der Papa hat in der Scheune seine eigene kleine Destille, wo er aus absurden Obstsorten und Pflanzen noch absurdere Schnäpse brennt. Kornelkirschenbrand zum Beispiel. Oder einen Geist aus Wilder Hegauer Haferschlehe. Oder Maiwipfelgeist, aus frischen Fichtensprossen destilliert. Oder er sammelt Därgelkirschen im Altmühltal und macht daraus irgendein Wasser. Und die Omi schwört auf den Weißdornbrand, den er aus den Büschen unten am Weiher gewinnt. Seit sie davon jeden Abend ein Glaserl trinkt, fühlt sie sich dem Herzinfarkt so fern wie ein Moslem der Leberzirrhose und schläft obendrein so fest wie ein alter Brauereigaul. Im Wirtshaus kommt Papas Spezialkollektion leider nur so mittelgut an. Die Stammgäste, die sturen Hunde, kleben halt an ihrem Jägermeister und stoßen nach besonders schwerem Essen allenfalls mal mit einem Obstler an.
» Ach leck mich«, sage ich jetzt doch, aber wirklich nur so leise, dass es wie eine Verabschiedung klingt. Dann gehe ich zurück zum Auto und lade die blöden Kisten eben allein aus.
2
Es klingelt. Gerade jetzt, wo ich nach drei Stunden Mittagsdienst im Wirtshaus nur mal eben ganz kurz die Beine hochlegen wollte und mir dabei unbeabsichtigterweise für ein Attosekündlein die Augen zugefallen sind, macht irgendetwas Krach. Bestimmt das Omilein, denke ich, taste mit geschlossenen Lidern nach dem Telefon und hebe ab.
» Ja?«, murmele ich, doch da ist gar niemand.
Es klingelt schon wieder. Ich greife nach dem Handy auf dem Nachtkästchen.
» Hallo?«
Aber nein, keiner dran.
Komisch. Vielleicht ist es an der Tür? Im Halbschlaf kann ich die verschiedenen Klingelgeräusche ja nie so richtig auseinanderhalten, also blinzele ich mit einem Auge zur Gegensprechanlage, um zu gucken, ob das grüne Lämpchen leuchtet – und bemerke dabei, dass auf dem Schreibtisch etwas blinkt.
Es ist der Bildschirm meines Laptops. Grmpf.
Es gibt Technologien, an die werd ich mich in diesem Leben einfach nicht gewöhnen. An Computer, die am Telefon so tun, als ob sie Frauen sind, zum Beispiel. Oder an diesen blöden Kassenautomaten im Parkhaus in Bad Tölz. Und genauso wenig werde ich mich damit abfinden, dass meine Freundin Bea mich dazu gezwungen hat, mich bei Skype anzumelden.
Ich seufze, steige aus dem Bett und sortierte mir notdürftig das Haar. Videotelefonie – ich finde ja, dass allein das Wort wie eine perverse sexuelle Praktik klingt. Ich meine, ich wäre ja irgendwie davon ausgegangen, dass es den meisten Menschen ganz gelegen kommt, wenn nicht jeder, der am ersten Feiertag mal eben durchklingelt, um frohe Weihnachten zu wünschen, gleich den Zustand deines Zimmers, deiner Frisur und deines Make-ups sieht. Aber
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