Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Machwerke dann in Gold zu gießen. Als ich dort war und sah, wie ein Dutzend trauriger Goldschmiede in einer riesigen Container-Werkstatt hässliche Schmuckkanten in viel zu dicke Goldreife frästen, beschloss ich, lieber lebenslänglich Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat zu servieren, als mir das anzutun.
» Fanny, das meine ich nicht.«
» Was meinst du denn dann?«, frage ich und starre wütend in die kleine Kamera auf meinem Laptop.
» Du musst endlich mal dein Leben in die Hand nehmen.«
» Ach ja?« Ich funkle sie an. » Nennt man zufälligerweise mit einem reichen Mann zusammenstoßen jetzt neuerdings sein Leben in die Hand nehmen? Alles, was du in New York hast, hast du doch von Jasper: deinen Job, deinen Friseur, sogar deine neuen Freunde, also tu nicht so!«
Bea wird rot, aber dann findet sie in ihren selbstbewussten Gesichtsausdruck zurück.
» Es geht hier aber nicht um mich.«
Wieso eigentlich nicht? Ich sehe sie an, aber ich sage nichts.
» Es geht um dich, Fanny. So viel Talent auf einem Haufen! Und du vergeudest es, als gäbe es überhaupt keine Möglichkeiten!«
» Es gibt auch keine!«, sage ich trotzig.
» Ach Fanny«, sagt sie.
Sie sieht mich traurig an und ich bekomme sofort ein schlechtes Gewissen. Früher haben Bea und ich uns nie so gestritten. Ganz im Gegenteil: Über die meisten Sachen waren wir fast schon erschreckend ähnlicher Ansicht, und wenn nicht, dann war es uns irgendwie auch wurscht. Aber seit sie in New York ist, ätzen wir uns ständig an. Und insgeheim weiß ich auch, wieso: Weil ich eifersüchtig bin, eifersüchtig und neidisch. Ich hätte auch gern einen Ritter, der auf seinem weißen Klepper um die Ecke getrabt kommt und mein Leben für mich regelt. Leider traben hier allenfalls weiße Opels vorbei, und ihre Halter sind allesamt jenseits der Fünfzig und meist auch der drei Promille. Alle, mit denen ich in der Schule war, sind weg, schon lange. Die Bea in New York, der Max in Berlin … und die, die noch da sind, sind verheiratet, haben Kinder, Wohnzimmerwände von Möbel Mahler und ein Carport vor dem Haus.
» Tut mir leid, Bea, es ist nur …«
» Ich weiß«, unterbricht sie mich. » Ich weiß doch.«
Wir schweigen, und mir wird ganz warm ums Herz, weil das Wichtigste im Leben doch ist, dass man sich ohne Worte versteht. Ich meine, ist doch so, oder?
» Und sonst?«, fragt sie mich und schaut mich liebevoll an.
» Ach, Bea. Wenn du wüsstest.«
Und dann ratschen wir.
Eine halbe Stunde später beenden wir das Gespräch, versöhnt, fröhlich, als alte Freundinnen. Während wir uns verabschieden, geht es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Doch dann verschwindet Beas Gesicht vom Monitor, und als ich meinen Laptop zuklappe, überkommt mich eine Traurigkeit, die ich bis hinab in die Zehenspitzen spüre.
Ich stehe vom Schreibtisch auf, gehe zum Fenster und sehe hinaus. Zu meinen Füßen liegt der Parkplatz, auf dem man immer noch die Überreste der Dornfelder-Malereien des Teufels von Mingharting sieht. Nach rechts geht es ins Dorf hinein, wo rund um den Maibaum Dorfkirche, Telefonzelle, ein Schaukasten mit den Gemeindeinformationen und der Edeka versammelt sind. Aber wenn man nach links blickt, wird einem klar, wie fernab von allem Mingharting liegt: Bis an den Alpenrand hin erstrecken sich Hügel und Felder, und wenn an einem Herbsttag wie heute die Sonne scheint, ist es, als ob die Landschaft in tausend Farben glüht, in Gold und Kupfer und Braun. Ich starre auf die Baumgruppe, die sich nicht weit entfernt zwischen den Äckern erhebt, auf die Bank und das Marterl, die darunter stehen. Eine Landstraße schlängelt sich an dem Ensemble vorbei, aber es passiert nur ein paar Mal am Tag, dass man aus der Richtung ein Auto kommen sieht. Darüber ein Himmel, der irrsinnig klar und hell und hoch ist.
Ich seufze und spüre, wie in meinem Hals ein Kloß wächst. Ich meine, das ist meine Heimat, oder? Das alles hier. Und eigentlich mag ich auch die Arbeit im Wirtshaus ganz gern, aber natürlich hat Bea recht, das kann nicht alles gewesen sein. Sieben Jahre ist das jetzt her, dass ich aus Pforzheim hierher zurückgekommen bin, sieben Jahre, die wie im Flug vergangen sind, und in denen ich davon geträumt habe wegzugehen. Ich müsste endlich etwas anfangen mit meinem Leben. Und natürlich muss ich auch endlich raus aus Mingharting, wo die Welt doch irgendwie bloß stillsteht. Aber andererseits – wo soll ich denn hin? Nichts und niemand da draußen wartet auf
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