Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
gerade macht, ob er sein Verhalten bereut, ob er besorgt darüber rätselt, wo ich eigentlich abgeblieben bin und verzweifelt versucht, mich zu erreichen. Ich habe mir sogar mehrmals ausgemalt, dass er herausgefunden hat, wo ich bin, und dass er plötzlich mit einem riesigen Strauß roter Rosen vor mir steht. Das ist dumm, ich weiß. Tino hat mich behandelt wie ein Stück Dreck, und eigentlich wäre es klüger, ihn nicht vor meine Haustür zu visionieren, sondern eher ins Death Valley, ohne Wasservorrat, versteht sich. Aber etwas in mir drin klammert sich an die Vorstellung, dass es mit uns weitergehen könnte. Dass zwischen uns etwas existiert, das die Katastrophe überleben wird. Dass wir uns doch eigentlich lieben. Kurz: Irgendwann musste ich einfach nachsehen, ob ich Anrufe von ihm habe, oder ob ich ihn nicht doch einfach abschreiben muss, denn natürlich hätte es ja auch sein können, dass er froh ist, dass ich fort bin. Also habe ich das Handy eingeschaltet, meine PIN eingetippt und tatsächlich hat der Apparat sofort angefangen hektisch zu piepsen. Meine Mailbox war voll von Nachrichten von ihm, und in allen hat er um Verzeihung gefleht und mich angebettelt, doch bitte, bitte, bitte mit ihm zu reden. Tja, Tinos Flehen hat mich schon öfter erweicht, also hab ich seine Nummer gewählt und kurz mit ihm geredet. Wo ich bin, wollte er wissen, und was er tun kann, um mich zu überzeugen, es noch einmal mit ihm zu probieren. Ich teilte ihm mit, dass ich bei meinen Eltern sei, und dass ich Zeit bräuchte, ein paar Tage für mich. Verstehe, hat er gesagt, aber dann hat er doch jeden Tag angerufen. Natürlich bin ich nicht dran gegangen, ich meine, ich hatte ihn doch um etwas Abstand gebeten, oder? Außerdem glaube ich nicht, dass es mich weiterbringt, mit ihm zu reden. Ich muss herausfinden, was ich will, und dazu muss ich mit meinen Gefühlen in Kontakt kommen und nicht mit ihm.
Also, Jessas, jetzt klingelt das blöde Telefon ja schon wieder! Wie soll man sich denn so bitte auf sein Seelenleben konzentrieren? Und diesmal hört es überhaupt nicht auf. Es klingelt achtmal, zehnmal, zwölfmal. Himmel! Ich verdrehe genervt die Augen. Und beim fünfzehnten Mal gehe ich halt dran.
» Ja?«, sage ich in den Hörer, dabei ist es natürlich überhaupt keine Frage, wer am anderen Ende der Leitung ist.
» Fanny?«
Das Omilein, natürlich. Seit ihre Kalbshaxe quasi unberührt zu ihr zurückgekommen ist, ruft sie vor jeder Mahlzeit bei mir an, um mich zu fragen, was ich essen will. Dabei müsste sie das gar nicht, denn sie bekommt ohnehin immer dieselbe Antwort: Kartoffelbrei mit Bratensauce. Es ist das Gericht, das ich als Kind immer bekommen habe, wenn ich krank im Bett gelegen bin. Das einzige Essen, das ich noch herunterkriege. Und das Einzige, das in der Lage ist, mich ein ganz klein wenig zu trösten.
» Omilein, servus«, sage ich mit dünner Stimme. Ich meine, es ist ja nett, dass sie so geduldig mit mir ist und die Hoffnung nicht aufgibt, dass aus dem Trauerkloß im Dachgeschoss doch irgendwann wieder die gute, alte Fanny wird. » Was gibt’s denn?«
» Fanny, i brauch di heit zum Bedienen.«
Huch? Bedienen? Ich?
» Warum denn ich?«, frage ich, vollkommen überrumpelt.
» Fanny, heit is Bratwursttag!«, erklärt sie unwirsch.
Ja, und? Ich bin krank! Depressiv! Überhaupt nicht imstande, mit freundlichem Lächeln von Gast zu Gast zu schweben!
» Oiso, Omilein, i woaß ned. I bin eigentlich no ned so …«
Ich kann den Satz nicht zu Ende sagen, da fällt mir die Omi ins Wort.
» Fanny, du suhlst di jetz seit vier Tagen in Selbstmitleid, irgendwann muss amoi Schluss sein.«
» Aber Omi, mir geht’s schlecht! Da kann doch i nix dafür!«
» Na, Fanny, aber die Herumliegerei macht’s offenbar aa ned besser.«
» Oiso, Omi …«, sage ich empört.
» Fanny, i sag amoi so. Du hast die freie Wahl. Entweder i ruf bei der Maurerfirma Schmidt-Herzog in Derbolfing an und lass di da oben einziegeln, dann kannst du liegen bleiben, bis dich die Würmer holen. Oder du hievst deinen Hintern da herunter und hilfst mir!«
» Oiso, Omi, so kannst du aber doch ned …«
» Ende der Durchsage«, sagt sie. Und dann hat sie auch schon aufgelegt.
Ich hingegen habe den Hörer immer noch in der Hand.
Unglaublich. Geht’s noch? Ich soll kellnern? Ich? In meinem Zustand? Also wirklich, was für eine fantastische Idee. Als ob es sonst nicht auch ohne mich ginge! War aber irgendwie auch klar, oder? Dass das Omilein so tut,
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