Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Minghartinger Stuben herausmarschiert. Dummerweise sieht er mich sofort, deshalb knülle ich das schmutzige Tempo in der Faust zusammen und zwinge mir ein Lächeln aufs Gesicht.
» Fanny!«, ruft er, als er mich sieht. » Mei, des is ja ganz schön!«
Er kommt auf mich zu gewankt und schüttelt mir die Hand so heftig, dass ich kurz Angst hab, sie könne sich vom Unterarm lösen.
» Bist jetz wieder da, oder was?«, fragt er.
Ich schüttele den Kopf.
» Bloß a paar Tage«, sage ich.
» Ah so«, sagt er enttäuscht. » Aber morgen bist scho erst amoi hier, oder?«
» Bestimmt«, sage ich tapfer und nicke.
» Guad, dann komm i morgen wieder. Jetzat muss i los, heim zum Weibi, gell? Na ja, kennstas. Habe die Ehre«, sagt er, lüftet den Hut, sperrt sein Auto auf und lässt sich auf den Fahrersitz fallen. Normalerweise würde ich ihn mindestens ermahnen und im Ernstfall seine Frau anrufen, dass sie ihn abholen kommt, aber andererseits wohnt er ja gleich um die Ecke, da wird schon nichts passieren. Außerdem denke ich heute ziemlich langsam, und als ich schließlich am Ende des Gedankens angekommen ist, ist unser Dorfchef längst verschwunden.
Mittags schon besoffen. Was für ein Vorbild, ts ts.
Die Begegnung hat mich dann doch etwas aus dem Konzept gebracht, deshalb muss ich mich erst noch einmal sammeln, bevor ich mich in der Lage sehe, endlich hinein zu meiner Familie zu gehen.
Ein Fuß vor den andern.
Ich stecke dem Langnese-Gesicht das schmutzige Tempo in den Schlund, fahre mir durchs Haar und lege die Hand auf den Türknauf.
Es ist, als würde ich in eine alte Erinnerung treten, als ich die Tür aufdrücke. Alles ist noch ganz genau so, wie es immer gewesen ist: das warme Licht der Messinglampen, die Holzvertäfelung, die alten Dielen. Die Tische, an denen ein paar Gäste sitzen, die mich gar nicht groß bemerken. Die Wolpertinger, die in unterschiedliche Richtungen schauen und sich nicht weiter um das Geschehen im Wirtshaus kümmern. Nur eines ist neu. Der Max, der hinterm Tresen steht und ein Bierglas abspült.
Der Max. Den hatte ich vollkommen vergessen.
» Fanny!«, ruft er überrascht, schüttelt das Glas ab, stellt es auf das Abtropfgitter und trocknet sich die Hände ab. » Du da?«
Ich sehe ihn an. Ich hatte wirklich nicht mehr dran gedacht, dass er hier seit ein paar Wochen im Service aushilft, obwohl ich die Sache ja höchstpersönlich eingefädelt hab und mir der Papa auch wirklich, wirklich dankbar für die Vermittlung war. Aber ich hab keine Zeit, mich länger darüber zu wundern, wie seltsam es ist, dass mein alter Sandkastenfreund plötzlich mit einer Schürze um die Hüften hinter meinem angestammten Tresen steht, denn bei dem Wort » Fanny« taucht wie auf Kommando der Kopf vom Omilein in der Durchreiche auf. Und keine zwei Sekunden später schießt sie aus der Küche.
» Fanny! Da bist ja!«
Sie nimmt mich erfreut in den Arm, nackelt mir die Wange und zieht mir den Kragen zurecht, ganz so, wie es sich für eine Begrüßung vom Omilein gehört. Doch dann wird ihr Gesicht wieder ernst, sie macht einen Schritt zurück und stemmt die Hände in die von einer Blümchenschürze bedeckten Hüften.
» Fanny, mir ham die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen! Sag amoi, was baut denn der Quirin da für einen Scheißdreck?«
Sie schaut mich empört an, und weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, hebe ich bloß die Schultern und senke sie wieder. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, hab ich in den letzten Stunden nicht besonders ausgiebig an meinen Chef, oder besser Ex-Chef, gedacht. Offensichtlich hat er also tatsächlich schon angerufen, wenigstens das.
» Oiso ehrlich, so a Unverschämtheit! So a Arschloch, so a bleds. Wenn des die Umgangsformen in der Großstadt sind, dann woaß i scho, warum …«
Das Omilein schimpft los wie ein Rohrspatz, der Max stellt sich daneben und stimmt ein. Und ich stehe vor ihnen und schau wie ein Schwammerl, wenn’s blitzt. Offensichtlich sind die beiden überzeugt, dass der Grund meiner plötzlichen Anreise der Quirin sein muss. Dass ich hier bin, um mich über ihn auszulassen und unser weiteres Vorgehen in der Sache zu diskutieren.
» So ein Muhackl, so ein dreckerter! Zefix! Der Lackl, der gscherte! Aber i sag’s dir, dei Muatta hat scho gsagt, dass sie bis vors Bundesverfassungsgericht geht …«
Die Omi schimpft und ich sehe ihr ins Gesicht. Wahrscheinlich liegt es an ihrem Dialekt, denn plötzlich ist die Erinnerung an gestern Nacht wieder mit
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