Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
voller Wucht da. Der Moment, als ich in der Türe meiner Dachgeschosswohnung am Maybachufer stand und belauscht hab, wie der Mann, von dem ich dachte, dass er mich liebt, gemein über mich herzog. Wie ich da stand und sich alles in mir zusammenkrampfte, wie hilflos ich mich fühlte, wie verraten und betrogen, und wie ich doch vollkommen unfähig war, irgendetwas zu tun. Und mit einem Mal ist der Schmerz so heftig, dass ich wieder anfange zu weinen. Es beginnt ganz leise, mit einer einzelnen Träne, die mir die Wange runterläuft und mir aufs T-Shirt tropft. Max bemerkt sie und verstummt und sieht mich verunsichert an, das Omilein entdeckt sie jedoch nicht, noch nicht. Aber als mir ein Wimmern aus der Kehle steigt und sich mein Gesicht vor Verzweiflung verzerrt, bricht ihre Schimpftirade schlagartig ab.
» Fanny, wos is denn?«, fragt sie erschrocken und fasst mich am Arm, und in diesem Augenblick kann ich die Tränen nicht mehr länger halten.
Ein paar Tage später …
26
Ich starre gerade eine Staubfluse neben dem Sofa an, da klingelt das Telefon. Es klingelt viermal, fünfmal, sechsmal, doch ich kann mich beim besten Willen nicht dazu überwinden abzuheben. Ich habe die letzten vier Tage im Bett verbracht und bin nicht einmal ansatzweise wieder in der Lage, dem Alltag zu begegnen. Es klingelt und klingelt, und ich rühre mich so lange nicht, bis es endlich wieder Ruhe gibt.
Dann atme ich aus.
Um ehrlich zu sein, tue ich das schon seit Tagen: auf meinem Bett liegen, den Kopf auf dem Kissen, und die Dinge in meinem Zimmer anstieren.
Als ich kurz nach meiner Ankunft in Mingharting auf mein Zimmer geflüchtet bin, habe ich noch geheult und geheult, aber nach ein paar Stunden ist mein Tränenreservoir leer gewesen, richtig ausgeblutet hab ich mich gefühlt. Und seither liege ich so da und verziehe keine Miene. Ich betrachte mein Zimmer, das in dem durch die geschlossenen Fensterläden dringenden Schummerlicht vollkommen leblos aussieht, betrachte die Stühle, die sauber zusammengerückt um den kleinen Esstisch herum stehen, die Küchenzeile, in der sich keine Einkäufe stapeln, mein altes Lümmelsofa, über das ein weißes Bettlaken geworfen ist. Nichts in dem Raum fühlt sich lebendig an, nichts scheint daran zu erinnern, dass ich hier einmal gelebt, gewohnt und gefühlt habe. Es ist eher so, als würde ich auf einem Friedhof liegen, was irgendwie passend ist, denn ich fühle mich so elend, dass ich am liebsten sterben würde.
Dummerweise versucht meine Familie relativ intensiv, mein Ableben zu verhindern. Mittags und abends bringt mir der Papa (ausgerechnet!) ein Tablett aus der Wirtschaft herauf, darauf eine Portion von irgendetwas, das das Omilein für Nervennahrung hält – Kalbshaxn, Wurstsalat, Bratwürstel, so Kram, aber leider kriege ich kaum etwas davon herunter. Und natürlich habe ich auch psychischen Beistand bekommen. Erst kam die Omi zu mir rauf und hat versucht, mich wieder aufzurichten. Danach hat es mehrmals die Mama probiert, die sich in Sachen enttäuschte Liebe für ziemlich erfahren hält, aber was hilft einem schon das Unglück von jemand anderem? Nach einer Weile rückte dann sogar der Papa an, der sich aus solchen Sachen normalerweise lieber raushält – gut, er hatte dann auch keine guten Ratschläge zur Hand, sondern bloß sein iPad. Damit hatte er eine Skype-Verbindung zur Bea aufgebaut, in der Hoffnung, dass die mich vielleicht trösten könne. Negativ, leider.
Ich bin nicht zu trösten. Und ich will auch nicht getröstet werden. Ich will einfach meine Ruhe. Ich muss irgendwie herausfinden, wie es weitergehen soll mit mir, und dabei hilft mir kein Psycho-Rhabarber. Die Antwort steckt irgendwo in mir drin, da bin ich mir ganz sicher. Ich muss nur genau in mich reinhören, dann finde ich sie.
Herrschaftszeiten. Das Telefon klingelt schon wieder. Aber wieder rühre ich mich nicht. Ich hebe nicht einmal den Kopf vom Kissen. Ich glotze einfach weiter vor mich hin, und warte geduldig darauf, dass wieder Stille einkehrt, was zum Glück auch bald passiert.
Dass ich Ruhe brauche, das habe ich auch dem Tino verklickert. Nicht sofort am ersten Tag natürlich. Ich habe es geschafft, mein Handy diszipliniert ausgeschaltet zu lassen, und ich war ganz froh um den Abstand, den ich dadurch von Berlin gewann. Aber vorgestern Abend habe ich es dann doch nicht länger ausgehalten. Denn natürlich war ich in Gedanken trotzdem ständig bei ihm. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, was er jetzt wohl
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