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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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allein, Catherine, du kannst dir nicht vorstellen, wie allein ich bin. England teilt sich in zwei Lager, in die Anhänger Wycliffes und die Anhänger Courtenays, jeder gehört zu einer der beiden Seiten, nur ich, ich stehe dazwischen, ungewollt von beiden, gehaßt von allen, verabscheut, verachtet.«
    »Das hast du dir selbst zuzuschreiben.«
    Er nickte. »Ja, das habe ich mir selbst zuzuschreiben. Ja. Ja.« Er betastete den Schwertknauf. Wenige Fingerbreit zog er die Klinge aus der Scheide. »Ich kann es nicht. Ich kann dem nicht einmal ein Ende machen. Zu schwach bin ich, zu feige. Warum hat mich Gott so gemacht? Ein Armseliger, der besser auf dem Acker gearbeitet hätte, als ein Ritter zu sein.«
    »Komm mit in die Burg, und andere erledigen es für dich. So leicht ist das.«
    »Wirst du ein gutes Wort für mich einlegen? Ich habe dir geholfen! Als ihr damals über die Mauer von Newstead Abbey geklettert seid, habe ich da nicht auf eurer Seite gestanden? Du hast mir immer gefallen, von Anfang an wußte ich, daß du den richtigen Weg gehst. Ich bewundere dich, Catherine. Ich wünschte, ich wäre wie du. Ohne dich hätte ich nie |343| begriffen, welcher üble Mensch Courtenay ist. Willst du nicht für mich mit Sir Latimer sprechen? Ich bin bereit, alles zu tun, wenn sie mich nur zurückkehren lassen zum Ritterbund. Gott vergibt uns unsere Fehler, und wir sollen den anderen vergeben, sage das Thomas, ich erinnere mich gut, wie wir einmal darüber sprachen.«
    Catherine dachte nach. Bot sich ihr gerade eine Möglichkeit, dem Untergang zu entkommen? »Hör gut zu, Repton. Ich kann dir helfen, aber dafür mußt du etwas tun. Du mußt ein einziges Mal Mut beweisen.«
    »Was verlangst du? Ich bin zu allem bereit.«
    »Geh zurück ins Dorf. Dann schlage einen weiten Bogen um die Burg herum. Laufe durch den Rockingham Forest, bis du dich auf der Ostseite der Burg befindest. Dort lauert Alan, mein Bruder. Schneide ihm die Bogensehne durch, tue, was auch immer notwendig ist, um ihn daran zu hindern, daß er Sir Latimer erschießt.« Latimer würde ihr helfen müssen, Hawisia zu befreien.
    »Und im Austausch dafür sorgst du dafür, daß ich zu den Bedeckten Rittern zurückkehren kann?«
    »Mit deiner Tat rettest du Thomas Latimer das Leben. Ich erkläre es ihm. Seinem Lebensretter wird er verzeihen.«
    Sir Philip Repton richtete sich zu voller Höhe auf. Das Lederwams knackte. Ernst sah er Catherine an: »Ich danke dir. Vielleicht werde ich durch deine Hilfe wieder zu dem Mann, der ich einmal war.« Er machte kehrt.
    Ein sanfter Wind wehte Grashüpfer, Fliegen und Wiesengetier über den Weg. Schafe blökten, Bienen summten am Wegrand von Blüte zu Blüte. Catherine näherte sich Schritt um Schritt der Burg. Die Fahnen flatterten auf den Türmen. Hinter jeder der Schießscharten im dunklen Holz mußte ein Schütze lauern. Auch über den eisenbeschlagenen Torflügeln des Einlaßhauses ragten Speere in den Himmel, blinzelten Bogenschützen auf sie herunter. »Kommst du allein?« rief einer.
    »Ihr seht es doch.«
    Schwere Riegel wurden aus ihren Haken gehoben. Das Tor |344| öffnete sich knarrend um einen kleinen Spalt, und Catherine trat ein. Der Burghof roch nach altem Holz und Fischinnereien. Braybrooke Castle. Für die einen der Höllenpfuhl, für die anderen das Himmelstor.
    Thomas Latimer erwartete sie in der Mitte des Hofes. Unter seinem Waffenrock wölbte sich der Plattenpanzer, auf der Brust prangte das goldene Kreuz. Ein übergroßer Schwertknauf ragte über seine linke Schulter. Man sah ihnen zu, von den Türmen und Wällen blickten die Wachposten herunter und folgten jeder Bewegung mit den Augen, als könnten sie daran ablesen, ob Catherine mit guter oder mit schlechter Nachricht zurückkehrte. Latimers Gesicht war ernst, aber die Augen strahlten. Bis er plötzlich zusammenzuckte. »Wo ist deine Tochter?«
    Sie machte die letzten Schritte zu ihm hin. »Als Geisel bei Courtenay verblieben.«
    »Er hat es durchschaut?«
    »Und das Angebot, Sligh gegen Hereford auszutauschen, hat er abgelehnt.«
    »Gehen wir hinauf in mein Gemach.« Er wendete sich um.
    »Sir Latimer«, sagte sie rasch, »haltet Euch von den Fenstern fern.«
    »Ich weiß, was eine Belagerung ist. Alle Fenster sind mit Fellen zugehängt.«
    Auf der Treppe rasten ihr die Gedanken davon. Sie huschten in jede mögliche Richtung, spähten in Abgründe, tasteten Risse ab. Was, wenn er keinen Weg wußte, Hawisia zu befreien? Was, wenn Repton Alans Bogensehne

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