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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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blieb.
    An der Rechnung stimmte etwas nicht.
    War sie zu einfach? War es zu gut, was ihm geschah? Die Welt hatte sich verändert, seit sie bei Courtenay lebten. Vorher war sie feindselig und rauh gewesen, heute gab sie sich freundlich, sie beglückte. Catherine machte das mißtrauisch – sollte es auch ihn mißtrauisch machen?
    Genau das war der Haken: Catherine. Die Schwester würde Sir Latimer an das Fenster locken, so hatte man ihm erklärt. Aber warum? Unvorstellbar, daß sie in der Nacht eine Kehrtwendung gemacht hatte und plötzlich die Ketzer haßte und nicht mehr den Erzbischof. Nicht Cath. Wenn sie von etwas überzeugt war, dann hielt sie daran fest wie ein Blutegel an der Wade. Und selten hatte er sie so entschlossen erlebt wie gestern abend. Warum lieferte sie den Ritter aus?
    Man konnte Cath nicht bestechen, wenn ihr eine Sache soviel bedeutete wie diese. Vielleicht drohte man ihr? Sie hatte ihn angefleht, sie nicht zu verraten. Also fürchtete sie sich. Vor Folter, vor dem Tod? Das mochte es sein. Die Exzellenz zwang Catherine durch Drohungen dazu, Sir Latimer preiszugeben. Kein Wunder, daß die Schwester von Courtenay als teuflischem Betrüger sprach. Es stellte sich ihr so dar, weil sie sich dickköpfig weigerte, dem Erzbischof zu helfen.
    Daß sie sich einbildete, die Wege der Herrschenden besser zu verstehen als diese selbst! Daß sie sich einbildete, sie könne das Ketzertum vom wahren Glauben unterscheiden und einem Erzbischof dabei die Augen öffnen! Es geschah recht, daß man ihr drohte. Die Widerspenstige war anders nicht zum Gehorsam zu bewegen.
    |341| Alan rollte die Bogensehne aus. Er würde einen wahrhaft meisterlichen Schuß abgeben.
     
    Bei jedem Schritt knarrte die Lederkleidung Reptons. Er kaute auf einem Grashalm herum, kratzte sich erregt im knochigen Gesicht. Das weit hervorspringende Kinn kreiste, während die Kiefer malmten. Endlich hatte er den Halm zerbissen, und er fiel hinunter. »Es ist besser, du tust, was der Erzbischof dir aufgetragen hat«, sagte er.
    »Er hat deutlich genug gesprochen, keine Sorge.« Wie weit wollte er sie noch begleiten? Offenbar zweifelte man daran, daß sie nach Braybrooke Castle ging.
    »Ich habe damit nichts zu tun.«
    »Ein dreckiger Handlanger seid Ihr, nichts anderes.«
    »Nein!« Es klang verzweifelt. »Ich hatte keine andere Wahl. Warte, Catherine. Laß mich erklären.« Seine langen Finger versuchten, ihren Arm zu halten.
    Sie wirbelte herum. »Wenn heute abend Sir Latimer noch lebt, stirbt Hawisia. Das ist alles, was mich interessiert, alles, an das ich denken kann. Wenn ich noch einen Zipfel Kraft übrig hätte, um wahrzunehmen, daß Ihr es seid, der neben mir geht – ich hätte Euch längst angespuckt und fortgestoßen. Ich habe die Anzüglichkeiten satt, verstanden?«
    »Auch mich hat Courtenay gezwungen«, stotterte Repton. »Ich muß ihm zu Willen sein, um mich von dem Verdacht reinzuwaschen, selbst ein Ketzer zu sein. Noch vor Monaten gehörte ich zu den Bedeckten Rittern, und Courtenay verschont mich nur, wenn ich ihm die äußerste Treue beweise. Ich bin sein Spielzeug wie du, verstehst du nicht?«
    Der Verräter, von dem Thomas Latimer gesprochen hatte! Sie zischte: »Ihr seid das? Ihr habt die Bedeckten Ritter an Courtenay ausgeliefert?« Thomas war so zornig gewesen, daß er an Rädern, Vierteilen und Verbrennen gedacht hatte.
    Repton verzog das Gesicht. »Nicht ausgeliefert. Courtenay wußte längst über sie Bescheid. Ich habe ihm nur …«
    »Was? Namen genannt?«
    |342| »Namen? Ich …« Philip Repton riß die Hände vor das Gesicht. »Oh, ich weiß, ich habe gesündigt. Nun sterben Menschen, weil ich meine Haut retten wollte. Könnte ich doch zurück, könnte ich noch einmal entscheiden!« Er löste die Hände, ließ sie hinabsinken. »Ich bin schuldig. Ich trage die Schuld, ich allein.« In seinem Gesicht lag Entsetzen.
    Bloß die Karpfenbecken deckten sie noch zur Burg hin. Wenn sie ihn weiterlockte, vielleicht erschoß man ihn von den Wällen her? Die Männer in Braybrooke Castle mußten den Verräter kennen, er war dort sicher häufig zu Gast gewesen.
    Das bleiche Katzenmäulchen zitterte. »Und nun will er mich loswerden. Er hat mich nicht ohne Grund mit dir geschickt. Natürlich weiß er, daß mich die Bedeckten Ritter gern tot sehen würden. ›Geh mit ihr bis zur Burg‹, hat er gesagt, ›damit sie nicht vorher kehrtmacht.‹ Wie hat er sich das vorgestellt? Natürlich will er, daß man mich tötet. Ich bin so

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