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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Ich dachte, ich lasse dich erst einmal ausruhen, bevor wir wieder reden. Offenbar warst du sehr erschöpft. So sehr, daß du vergessen hast, dir die Botschaft für Lady Anne abzuholen.«
    Sie preßte die Lippen aufeinander.
    »Es ist der Tag des heiligen Georg, welcher Frevel wäre es, an einem solchen Feiertag nachtragend zu sein. Dir sei verziehen.«
    Das Herz zog sich ihr zu einem Knoten zusammen. Warum tat er so freundlich? Welches Spiel spielte er mit ihr?
    »Vielleicht ist es sogar gut, daß du die Botschaft noch nicht überbracht hast. Ich hatte inzwischen einen guten Einfall. Wenn du mir diesen letzten Wunsch erfüllst, sorge ich dafür, daß du bis an deinen Lebensabend als Brillenmacherin arbeiten kannst.«
    Ihre Lippen bewegten sich tonlos. Der Kopf dröhnte, als wäre er aus Bronze und würde mit einer Eisenkeule zum Klingen gebracht.
    »Es hört sich schwieriger an, als es ist. Du sollst das Zentrum der Ketzer treffen und vernichten: Thomas Latimer.«
    Thomas vernichten? Aber es ist gut, redete sie sich ein, er will etwas von mir, ich bin nicht aufgegeben, nicht verloren. »Ich … Ich tue es«, stotterte sie.
    »Ach ja?« Es war, als fiele das freundliche Gesicht wie eine Maske vom Erzbischof ab. Seine Züge verwandelten sich zur wütenden Fratze. Er packte Catherine an den Haaren, schüttelte sie. Hawisia entfiel ihr, der kleine Kopf schlug dumpf auf dem Boden auf. Beide schrien, Mutter und Tochter, und hinein brüllte Courtenay: »Du hast mich hintergangen! Du hast mich schändlich hintergangen!«
    Catherine hob die Tochter auf und schmiegte sie an sich. |336| Ihre Kopfhaut brannte, sicher riß der Erzbischof ihr alle Haare aus. Sie schloß die Augen. Das war das Ende. Sie würden sterben. Daß es nur rasch ginge!
    Courtenays Hand löste sich von ihr. Sie hörte den Erzbischof auf und ab schreiten. »Ich glaube nicht, daß du falsch und verräterisch bist, Catherine. Ich glaube es einfach nicht. Sage mir«, er klang sehr väterlich, »sage mir, was ist geschehen?«
    »Der Mörder«, flüsterte sie.
    »Was sagst du? Ich verstehe dich nicht.«
    »Der Mörder arbeitet für Euch.«
    »Was für ein Mörder?«
    »Sligh. Er ist Euer Mann. Er hat Elias getötet.«
    »William Sligh hat deinen Ehemann umgebracht? Wie sollte ich davon wissen?«
    »Ihr habt ihn beauftragt.«
    »Aber warum? Warum sollte ich einen Handwerker töten lassen, der mir trefflich gedient hat? Wer hat dir so etwas eingeredet, Catherine?«
    »Niemand. Ich weiß es. Sligh ist der Mörder.«
    »Wenn es so ist, soll er aufgehängt und gevierteilt werden. Ich wußte nichts davon, das mußt du mir glauben.«
    Er mußte davon gewußt haben. Er log.
    »Hör zu, ich weiß nicht, wie die Ketzer es geschafft haben, mich in einem bösen Licht erscheinen zu lassen, aber ich kann dir sagen, sie sind falsch wie Galgenholz. Sie sind Meister darin, eine unbedarfte Seele zu betrügen. Es ist aber auch meine Schuld, ich hätte dich einweihen sollen. Ich vermied es, um dich nicht in Verwirrung zu stürzen. Bist du bereit, dir einige Dinge von mir erklären zu lassen?«
    Sie rührte sich nicht.
    »Du hast Sir Nevill und Sir Latimer getroffen. Sind sie dir freundlich erschienen?«
    »Ja«, hauchte sie.
    »Das dachte ich mir. Dafür kannst du nichts, sie sind gerissen wie Ottern. Haben sie dir von ihrem Geheimbund erzählt?«
    |337| Es schien, als sei er tatsächlich bereit, ihr zu vergeben. Courtenay würde seine Zeit nicht mit einer Todgeweihten verschwenden. Sie mußte sich ihm fügen, zum Schein ihm glauben. Es war eine Lüge – ein anderer Ausweg blieb ihr nicht. »Sie haben gesagt, daß sie eine Kirchenreform anstreben. Es klang sehr einleuchtend.«
    »Und es ist die Wahrheit. Ja, Catherine, es stimmt, diese Männer wollen die Kirche reformieren!«
    Wie er das sagte, als fürchte er sich nicht!
    »Beobachte sie genau, dann wirst du verstehen, wie diese Reform aussehen soll. Sie wenden sich bei Prozessionen von den Sakramenten ab. Frage Thomas Latimer danach, er wird es zähneknirschend bestätigen! In der Kirche weigern sie sich, ihre Kopfbedeckung abzunehmen. Frage ihn! Und bitte ihn, dir die Gründe dafür zu erklären. Er wird Fadenscheiniges anbieten, Umgenähtes, Geflicktes – aber nicht die Wahrheit. Dabei ist sie offensichtlich: Wer sich von den Sakramenten abwendet, wer in Gottes Gegenwart den Kopf bedeckt, dem liegt nicht an der Verehrung des wahren Herrn, sondern an der Verehrung des Teufels. Diese Ritter halten mysteriöse Treffen ab, lesen

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