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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Hand, als könnte er das Höllenwesen so vertreiben. »Fort mit dir!«
    Da bemerkte er zwischen den pockenbesetzten Beinen den Schweif. Der Dämon hatte einen Eichhornschweif, buschig, feuerrot. Courtenays Gedanken irrten umher. Ich wollte das nicht! klagte er im stillen und spürte wieder die leblose Gestalt seines kleinen Tieres in den Händen. Verdurstet war es, er hatte es vertrocknen lassen in der Truhe, und nun kam ein eichhornbeschwänzter Dämon, ihn zu holen.
    Die Höllenbrut öffnete das Maul und lachte. Giftige Dämpfe wölkten zwischen den spitzen Zähnen hervor. »Was?« zischte es. »Was bereust du?«
    »Das Tier, ich sollte es doch pflegen, es bewahren!« Er winselte: »Es ist mir gestorben!« Ein Kind war er plötzlich, ein kleiner Junge, dem Tränen in die Augen schossen. »Und ich habe gelogen. Ich hätte den Rittern nicht die Unwahrheit sagen dürfen.«
    |424| Zuckender gelber Atem sprühte aus ihrem Geifermaul. »Was bereust du noch?«
    »Ich habe Menschenleben auf dem Gewissen.«
    Der Dämon wuchs, verfinsterte sich. »Menschenleben!« kreischte er.
    Es schien ein ernsthaftes Vergehen zu sein. Seltsamerweise hatte er sich nie schuldig gefühlt dafür. »Es war doch um einer guten Sache willen! Der Brillenmacher ist bei meinem Erzfeind ein und aus gegangen, ich habe ihn gebeten, mir als Spion zu dienen, der Kirche sollte er helfen.« Courtenay bäumte sich auf. Hörte sich zu seinem eigenen Erstaunen keifen: »Er hat sich widersetzt! Er hat sich den Ketzern angeschlossen. Ein Ketzer, verstehst du nicht? Er verdiente es! Er verdiente den Tod!« Da war mehr Kraft in ihm, als er vermutet hatte. Er rang mit dem Teufel! War er nicht ein großer, ein überragender Mensch?
    Der Dämon näherte sich. »Gut. Weiter.«
    Seine Kraft brach zusammen. »Versteh doch! Ich mußte es tun«, stammelte er.
    »Weiter.«
    Sollte er etwa jeden Menschen aufzählen, den er auf dem
    Schlachtfeld erschlagen hatte? »Ich kenne sie nicht alle.«
    »Alan!« kreischte der Dämon.
    »Wieso Alan? Er war mein Bediensteter, sein Leben lag in meiner Hand, ich hatte Gewalt über ihn, es war kein Unrecht.«
    »Verderbter Mensch!«
    Courtenay schlotterte am ganzen Leib. Er hing schief zwischen Fußboden und Bettkasten, unfähig, an seiner Lage etwas zu ändern.
    Die Höllenausgeburt heulte: »Wo? Wo ist Hereford?«
    »Pater noster, qui es in caelis, sanctificetur nomen tuum«
, betete Courtenay. Er schlug unaufhörlich das Kreuz über seiner Brust.
    »Wo ist Hereford?« fauchte sie.
    Ein Hoffnungsschimmer glomm auf in Courtenay. »Du willst ihn haben? Läßt du dann von mir ab? Er ist bei einem alten Freund in London untergebracht, der ein Tuchgeschäft betreibt auf der Brücke über die Thames. Höre, ich will fortan |425| ohne Sünde leben, wenn du mich nur dieses eine Mal verschonst. Ich versuche doch, dem Herrn zu dienen. Ich gehöre nicht zu dir, Engel des Bösen, sondern zu Jesus Christus, auch wenn ich abgeirrt bin von der Wahrheit. Ich werde dorthin zurückfinden. Frage Christus, er wird meine Seele nicht kampflos an dich ausliefern!«
    Der Dämon verschwand. Kalt das Gemach, leer und dunkel. Nicht einmal Schwefelgeruch war zurückgeblieben. Courtenay erschlaffte.
    Da zerbarst die Fensterscheibe. Eine Frau warf sich in den Raum, Gesicht und Arme vom Glas zerschnitten. Catherine Rowe. Wie eine Bestie sprang sie ihn an.
    »Du?« entfuhr es Courtenay.
    In ihrer Hand blitzte ein Messer auf.
     
    Sie stach zu. Das Messer schnitt in seine Seite, weich drang es ein. Der kleine Mann ächzte, packte ihr Handgelenk, ehe sie erneut zustoßen konnte. Sie rangen. Wie ein stählerner Ring, der sich eng zusammenzog, umklammerte seine Hand ihren Unterarm. Vor Schmerzen wimmerte sie, aber sie gab das Messer nicht auf, versuchte, es auf ihn herunterzudrücken, in sein Gesicht, in seine Schulter, irgendwohin.
    Es bewegte sich nicht so, wie sie es wollte. Obwohl
sie
es in der Hand hielt, steuerte
Courtenay
ihren Arm und damit das Messer. Es näherte sich ihr, zielte auf ihre Brust, drang mit der Spitze durch ihre Kleidung, ritzte die Haut. Er ist stärker als ich, durchfuhr es sie. Er wird mich töten. Sie hob das Knie und rammte es ihm in die Seite, dort, wo ein dunkler Fleck sein Hemd tränkte. Courtenay krümmte sich, aber er ließ ihr Handgelenk nicht los.
    Wieder bog er das Messer zu ihr hin. Ihr war, als würde der Hals anschwellen, alles Blut sammelte sich dort, um ihn zum Platzen zu bringen. Er würde sie töten. Sie konnte nicht

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