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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sie geheiratet?«
    »Die Sache war schon festgemacht. Es stand außer Frage, daß wir heiraten.«
    |431| »Der Tag der Hochzeit muß traurig gewesen sein für Euch.«
    Er sah sie an. »Ich habe nicht viel nachgedacht. Wahrscheinlich habe ich mich davor gefürchtet nachzudenken.«
    Sie brauchte Luft, es schnürte ihr die Kehle zu. Warum konnten dann nicht sie und Thomas zusammensein, warum gab ihn Lady Anne nicht frei?
    Mitten hinein in ihre Empfindungen platzte ein Bild, unaufgefordert und häßlich. Sie sah Alan. Sie hörte ihn rufen: »Catherine!« Das Schwert durchbohrte ihn. Fleisch riß. Er wurde aufgespießt wie ein Tier. Und sie trug die Schuld daran, sie war nach Canterbury gekommen, sie hatte sich in Gefahr begeben und ihn hineingerissen in den finsteren Pfuhl, der eigentlich ihr bestimmt gewesen war. Wo war er jetzt? Wie konnte ein Mensch sterben?
    Er ist bei Gott, sagte sie sich. Und doch konnte sie es nicht fühlen, sie mußte ihn sich vielmehr als Leichnam vorstellen, und es graute ihr bei diesem Gedanken.
    »Ist dir nicht gut?« fragte Latimer. Er war stehengeblieben und blickte sie sorgenvoll an.
    »Es … Es geht schon.« Sie ging weiter.
    »Du bist plötzlich erstarrt, als wärst du zu Eis gefroren. Was war das?«
    »Ich mußte an Alan denken.«
    »Verstehe.«
    »Es ist Unsinn, ich meine, er ist jetzt bei Gott im Himmel, wieso mache ich mir Sorgen! Einen häßlichen Tod hat er erlitten, aber er hat es geschafft, er hat es hinter sich.«
    Latimer schwieg.
    »Er ist doch bei Gott?«
    Stumm blickte Latimer hinauf zum Rockingham Forest.
    »Ihr glaubt es nicht«, flüsterte sie.
    »Catherine, das ist keine Frage von Glauben. Die Bibel läßt keine Zweifel offen. Sie spricht vom Tod als Schlaf, sie sagt, die Toten wissen nichts und hoffen nicht und eifern und lieben und hassen nicht, sie sind wie Menschen, die sich zur |432| Nachtruhe begeben haben. Alan schläft einen tiefen Schlaf. Es ist, als sei er ohnmächtig. Eines Tages aber wird ihn der Herr –«
    »Ach, redet mir nicht vom Jüngsten Gericht! Ihr sagt, daß Alan kalt ist, daß er verrottet! Und wißt Ihr was? Ich ahne es, daß Ihr recht habt. Wie kann Gott so etwas gutheißen? Wie kann er den Tod gewollt haben?«
    »Der Tod, Catherine, ist der Triumph Satans. Er ist die Strafe für unseren Fall, für unsere Abkehr von Gott. Der Böse hat uns dazu verführt, und wir sind ihm gefolgt. Glaubst du, Gott trauert nicht deswegen? Glaubst du, er leidet nicht wie wir unter dieser Zerstörung seiner Geschöpfe? Christus weinte am Grab des Lazarus, obwohl er doch wußte, daß er ihn am selben Tag wiedererwecken würde zum Leben. Was meinst du, warum er geweint hat? Weil ihn dieser verwesende Leichnam – sie schreiben ja, er stank schon –, weil er ihn anwiderte, weil es ihn betrübte, ihn, den Erschaffer des Lebens, wie das Leben zerfloß. Jesus selbst fürchtete sich vor dem Tod, deshalb schwitzte er Blut im Garten Gethsemane.«
    »Dann soll er den Tod abschaffen, wenn er der Allmächtige ist!«
    »Das wäre unser Untergang. Verstehst du nicht? Der Tod ist das größte aller Übel, aber er ist auch das Heilmittel für die gefallene Menschheit. Er ist Satans mächtigste Waffe, und er ist Gottes mächtigste Waffe. Gott hat sie ihm aus der Hand gewunden und führt sie nun gegen seinen Feind. Der Tod ist unsere Schande, aber auch unsere Hoffnung. Denn Christus hat ihn genommen und mit ihm den Feind besiegt.«
    »Ihr redet wirres Zeug.«
    »Verstehst du nicht? Satan hat dafür gesorgt, daß die Maschine Tod uns verheert. Damit wollte er Gott zur Begnadigung zwingen, er, der Rebell. Denn er wußte, daß Gott es nicht ertragen würde, seine Geschöpfe allesamt der Vernichtung preiszugeben. Aber er hat nicht damit gerechnet, daß Gott selbst sich mitten unter uns stürzen würde und sich dem Sterben preisgeben würde, um die Maschine aufzuhalten. Er |433| ist das Sandkorn, das nicht zermalmt werden kann. Die Todesmühle hat sich an ihm verschluckt. Sie kann ihn nicht mahlen, und damit wird sie auch uns nicht endgültig vernichten. Wir legen uns schlafen, ja, und es ist ein greulicher Schlaf. Niemand empfindet ihn als richtig, jeder fürchtet ihn, denn wir sind zum ewigen Leben geschaffen, die Vernichtung erscheint uns falsch und ekelhaft. Aber es ist nur ein Schlaf auf Zeit.«
    Das Bild des ermordeten Bruders verlosch, als wäre ein böser Geist vertrieben. Sie mochte schuldig sein an Alans frühem Tod, aber es erwischte jeden von ihnen, irgendwann war jedermanns

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