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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wagen.«
    »Es ist zu gefährlich! Wir hätten nicht wieder hierherkommen dürfen. Was, meinst du, wird Courtenay tun, wenn er dich entdeckt? Ein Schrei genügt, und seine Männer laufen zusammen.«
    »Courtenay wird nicht glauben, daß er mit einem Wesen aus Fleisch und Blut kämpft. Was nützen seine Bewaffneten gegen einen Tierschwänzigen?«
    »Von welchem Tier sprichst du? Soll das Pferd gegen ihn angehen?«
    »Nicht Euer Pferd. Ein Eichhorn.«
    »Ein – was? Du bist von Sinnen.«
    Welche Sorgen sie noch vor wenigen Monaten geplagt hatten! Ob die Straße vor ihrem Haus gepflastert wurde oder nicht, ob ein Ofen gemauert werden mußte, weil der Rauch der Feuerstelle in die Schlafkammer zog. Diese Zeit war vorüber. Sie war Mutter geworden. Sie hatte ihren Mann und ihren Bruder verloren. Sie ging mit den mächtigsten Männern Englands um – und würde in dieser Nacht den Kirchenfürsten töten, der, gleich nach dem König, alle Engländer überragte. Lange genug war sie nur ein Werkzeug gewesen. Nun war es an der Zeit, daß die Meisterin des Lichts Verantwortung übernahm. Natürlich setzte sie ihr Leben aufs Spiel. Sie lief näher am Abgrund heute nacht, als eine Sterbliche es tun sollte. »Wartet Ihr hier auf mich?«
    »Der Rachedurst hat dich vollkommen blind gemacht.« Er schwieg einige Augenblicke. Deutlich hörte sie ihn atmen. »Aber es sei. Ich werde beten, daß Gottes Arm dich führt.«
    |422| Sie rollte sich unter dem Wagen hervor, nahm Topf, Kerze und Becher vom Bock und kletterte hinauf. Das Heu spie Wolken trockener Fäule aus, wo sie es niederdrückte. Es knisterte und stach in ihre Haut. Wieder und wieder rutschte sie ab und verschüttete Wasser aus dem Becher. Endlich kauerte sie oben auf dem Berg, eingesunken in eine Mulde. Sie spähte durch die Fensterscheibe.
    Da war er, Courtenay, der Erzteufel. Er kniete vor seinem Bett. Hastete er im Geist durch den Garten, um sie zu finden? Ahnte er die Gefahr, die ihn bedrohte? Oder brachte er Rechtfertigungen vor, die Gott erklären sollten, warum er Alan hatte töten müssen? Verabschiede dich, du Schlange, dachte sie.
    Aus dem Topf nahm sie das Messer und legte es neben sich. Dann ergriff sie Stahl und Feuerstein, kratzte sie aneinander. Nur keinen Funken in das Heu schlagen! Die Funken entflammten den Zunder im Topf. Da hinein hielt sie den Kerzendocht. Als die Kerze brannte, schüttete sie das im Becher verbliebene Wasser in den Topf, um den Brand zu löschen. Es zischte. Rauch biß ihr in die Nase.
    Rohr, Spiegel und Latimers gelbes Brillenglas warteten an ihren Bauch gepreßt über dem Gürtel. Sie angelte sie hervor, hob die Kerze hinter das Rohr, paßte den Spiegel an, der nun auf ihrem Schoß thronte. Noch waren die Augen des Erzbischofs geschlossen im Gebet, sie hatte Zeit, Spiegel, Kerze und Rohr zu arrangieren.
     
    William Courtenay vergrub das Gesicht in den Händen. Wieder wollte das Gebet ihn nicht recht stärken. Er sprach gegen die Wände an, seine Worte prallten davon ab und klirrten zu Boden. Wie lange ging das schon so? Du solltest dich mehr um deine geistlichen Belange kümmern, dachte er. Diese bewegten Monate hatten ihm wenig Gelegenheit geboten, über Gott nachzusinnen und darüber, was der himmlische Vater von ihm erwartete. Früher! Ja, als er Recht studierte in Oxford, Stapledon Hall, als er jung war, naiv und fröhlich, wie |423| lebendig waren seine Gebete gewesen! Mit welcher Freude war er vor Gott getreten, alles, alles hatte er mit ihm geteilt.
    Seine Gedanken stockten. Licht schimmerte zwischen seinen Fingern hindurch. Er schluckte. Finger für Finger nahm er vom Gesicht, blinzelte. Dort, neben der Tür. Eine Gestalt, groß und stattlich, strahlend. Besuchte ihn ein Engel?
    Es war kein Engel. Courtenay erstarrte.
    Es war ein Dämon.
    Schwefelgelb flackerte das Wesen, es reichte vom Boden bis zur Decke. Courtenay tastete sich rückwärts, ohne daß er den Blick von ihm nehmen konnte, er fiel, stieß mit dem Rücken gegen das Bett. »Bitte«, stöhnte er. »Verschone mich!«
    Die gelbe Gestalt erbebte in drohender Gebärde.
    »Nein! Laß mir meine Seele. Ich bereue!«
    So schlimm stand es also um ihn. Er war des Teufels Eigentum. Der schweigende Dämon ergötzte sich an seiner Furcht. Würde er ihn ergreifen und mit ihm schnurstracks zur Hölle fahren? Aber er war der Erzbischof von Canterbury! Er war der päpstliche Legat, ein Mann Gottes! »Ich gehöre dir nicht«, wimmerte er. »Du irrst dich. Fort!« Er wedelte mit der

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