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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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fort, er hat dich längst verlassen.«
    Hier zu kauern und zu weinen! Wenn es einen Weg gab, Elias zurückzugewinnen, dann war dies sicher der falsche. Er sollte sehen, daß seine junge Frau nicht ins Wanken zu bringen war. Sie konnte mehr durchstehen als das. Es mochte sein, daß er sie mit seinen Worten sehr verletzt hatte. Aber sie war stark. Was immer die nächsten Wochen brachten, sie konnte es tragen. Sie gehörte ins Licht und nicht in eine fensterlose Kammer. Catherine erhob sich, wischte sich mit einem Tuch das Gesicht trocken, nahm einen tiefen Atemzug und trat hinaus.
    Sie gab sich keine Mühe, ihre Schritte auf der Treppe zu dämpfen. Wenn Elias sich umdrehen würde, mochte er sehen, daß ihr Gesicht vom Weinen gerötet war. Sie würde es nicht verstecken.
    Er tat, als hörte er sie nicht.
    Nach kurzem Überlegen nahm sie sich einen Schemel und setzte sich neben ihn. »Du hast mich verletzt.«
    Elias führte das Messer in eine Kurve. Ein feiner Span rollte sich aus dem Holz.
    »Ich liebe dich. Die vier Jahre mit dir haben mich glücklich gemacht.«
    Nun hielt er inne. Seine Nasenflügel bebten. »Catherine, ich –«
    »Du mußt nichts sagen.«
    »Du weißt gar nicht, wieviel du mir bedeutest.«
    »Ich dachte einmal, daß ich es weiß.«
    »Bitte –« Er hob den Kopf und sah ihr einen Wimpernschlag lang in die Augen, dann wendete er sich ab. »Es wäre gut, wenn du fortgehen würdest für einige Zeit.«
    »Kannst du mir erklären, warum?«
    |57| Er schwieg.
    »Gut, du kannst es nicht. Ich werde also fortgehen. Vielleicht wird eine Färberin aus mir, wie es meine Mutter war, und ich habe bald rotgefärbte Arme, oder blaugefärbte, bis zum Ellenbogen.«
    »Catherine.«
    »Ich könnte auch Hühner verkaufen auf dem Geflügelmarkt, zwischen hundert anderen Frauen und flatterndem Federvieh. Ich kann meinen Bruder Alan auf seinem Pachthof unterstützen. Wenn er nicht im letzten halben Jahr geheiratet hat, lebt er immer noch allein dort und wird froh sein über ein wenig Hilfe.«
    »Ja, das wird er.«
    »Oder ich kann von Tür zu Tür gehen mit einer Kiepe auf dem Rücken. Wenn es Winter wird, brauchen die Leute wieder mehr Talglichter und Kerzen.«
    »Es tut mir leid, daß ich dir so sehr weh tue.«
    »Kann ich hier schlafen, bis ich etwas Neues gefunden habe?«
    »Es wäre mir lieber, wenn du –« Er stockte.
    »In Ordnung. Nur noch diese Nacht.«
     
    Sie wußte, daß er nicht hinauf in die Schlafkammer kommen würde. Und doch lauschte sie auf jedes Geräusch. Feuerholz knackte. Der Blasebalg füllte sich mit Luft, dann prasselten die Flammen. Glas riß zischend. Später schabte eine Feile über den Rand einer Linse.
    Catherine hielt sich auf ihrer Seite des Betts. Obwohl der Bettkasten kaum Platz für zwei Menschen ließ, hatten sie sich nie deshalb gestritten. Sie mußte daran denken, wie sie einmal in der Nacht davon wach geworden war, daß Elias sie streichelte. Als sie die Augen aufschlug, entschuldigte er sich wie ein kleiner Junge.
    Unten in der Werkstatt schmatzte Leim in der Schale. Glas wurde über Sand gerieben, dann, ein hohes Säuseln nur, in Schmirgelstaub gedreht.
    |58| Durch das Fenster der Schlafkammer fiel der erste blaue Schimmer. Burgwhenna war wieder einmal sehr zeitig aufgestanden. Sie polterte mit ihren Holzschuhen über den Dielenboden, setzte laut den Wischeimer ab. Aber warum kam das Poltern nicht von der Decke her wie gewöhnlich?
    Catherine setzte sich auf im Bett. Sie hielt den Atem an. Es war still. Hatte sie geträumt? Die Haut an ihren Armen war kalt. Die Wolldecke lockte. Dennoch stand sie auf und lief barfuß die Treppe hinunter. »Elias?«
    Da war ein Geräusch. Ein Kratzen. Jemand stöhnte leise.
    Sie sprang die letzten Stufen. Auf dem Tisch herrschte Unordnung. Und es lag Werkzeug auf dem Boden: Hämmer, Feilen, Zangen. Elias, inmitten des Werkzeugs. Sie warf sich zu ihm hin.
    Aus seiner Brust ragte ein Messergriff.
    Sie nahm seinen Kopf in die Hände. »Warum? Warum?«
    Er öffnete die Augen. Ganz offensichtlich war er erstaunt, sie zu sehen. »Du lebst?« Blut rann ihm zwischen den Zähnen hervor.
    »Was ist geschehen?« Ein feiner Messergriff, mit Goldfäden verziert. Sie hatte ihn nie gesehen. Elias hatte sich nicht selbst getötet. »Wer hat das getan?«
    »Er hat«, röchelte er, »Wort gehalten.« Elias lächelte.
    Deshalb hatte er gestern Böses gesprochen! Er hatte gewußt, daß man ihn töten wollte. Er dachte, daß sie bei ihm nicht sicher war. »Elias, bitte,

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