Die Brillenmacherin
zum Boden herabhing. Die schwarze Tunika kam zum Vorschein. Alan nickte ihm zu, den um Hilfe heischenden Blick nicht beachtend, und ließ Jok antraben.
Als er die breite Rampe zur Burg hinauffuhr und sich die Ketten der Zugbrücke nach ihm ausstreckten, kam ihm in den Sinn, daß er besser noch einen Barbier aufgesucht hätte, anstatt die Kinder zu kutschieren. Nun, so hatte er einen Farthing, einen Viertelpfennig, gespart, sagte er sich. Der Vogt würde Sparsamkeit zu schätzen wissen. Konnte nicht Catherine ihm die Haare schneiden, wenn er sie am Nachmittag besuchte?
Auf dem Burghof hatten einige Männer eine Zielscheibe aufgestellt und schossen mit dem Bogen Pfeile darauf. Gern hätte Alan einen Versuch unternommen. Er würde fragen, ob sie ihm einen Schuß gestatteten, wenn er mit dem Vogt gesprochen hatte.
Jok ließ er angeschirrt, klopfte ihm zweimal auf den Hals und beugte sich durch die Pforte zur Kammer, in der er den Vogt erwartete.
Es fuhr wie Feuer durch seine Glieder.
May saß neben ihrem Vater am Tisch und schrieb, hatte die roten Haare zu einem Zopf geflochten, den Gänsekiel geschickt in die schmale Hand gelegt. May und der Vater sahen auf. May lächelte. Der Vogt lächelte nicht.
|65| »Ich wußte nicht, daß du hier bist, May.«
»Vater lehrt mich schreiben. Ich stelle mich gut an, nicht wahr, Vater?«
Das Gesicht des Vogts blieb ungerührt. »Alan?«
»Ich bin wegen einer Frage gekommen.«
»Sprich.«
»Ich würde gern auch am Montag auf meinem Gut arbeiten. Kann ich die Arbeitsverpflichtungen mit Geld ablösen?«
»Das wirst du nicht bezahlen können.«
»Ich mache Fuhren für die reicheren Bauern, ich habe einiges angespart.«
»Alan, das ist ein anderes Leben. Das ist ein Stand, den du nie erreichen wirst.«
»Was würde es kosten?«
Der Vogt seufzte. Er schlug ein Buch auf, huschte mit dem Finger über die Zeilen.
Alan wagte es nicht, May anzusehen. Sie schrieb nicht mehr. Er hatte plötzlich das Gefühl, lächerlich steif dazustehen. Aber er würde kämpfen, um May kämpfen.
Der Vogt rückte auf dem Rechenbrett einige Steine. »Zu sätzlich zwölf Schillinge, zehn Pence und einen Halfpenny.«
»Das ist meine gesamte Ernte!«
»Ich habe dir gesagt, daß du es nicht bezahlen kannst.«
»Wie können die Montagsdienste mehr wert sein als das, was ich an den fünf anderen Tagen schaffe?«
»Alan, die Arbeitsverpflichtungen gehören zu deinem Stand als Pächter genauso wie die jährliche Pacht. Daran läßt sich nichts rütteln. Es sei denn, deine Fuhrdienste haben dir zwölf Schillinge eingebracht?«
»Was ist mit den anderen Bauern? Wie lösen sie die Dienste ab?«
»Das ist ein anderes Leben, wie ich schon sagte. Du bist allein. Sie haben eine Familie, Söhne, die mit ihnen arbeiten. Und sie beschäftigen Knechte und Mägde. Das Land, das du gepachtet hast, ist winzig im Vergleich zu ihren Äckern. Aber vielleicht willst du einen Knecht beschäftigen, der die Arbeitsdienste |66| für dich ableistet. Niemand zwingt dich, persönlich zu erscheinen.«
»Wäre das billiger?«
»Sicherlich. Allerdings müßte er mit deinem Wagen, deinem Pflug und deinem Pferd erscheinen.«
»Du weißt, daß das nicht geht. Womit soll ich dann arbeiten?«
Der Vogt hob die Hände.
»Es sind doch mein Wagen und mein Pferd.«
»War das alles, was du wissen wolltest?«
»Nein.« Alan straffte die Schultern. »Ich bin enttäuscht, aber das war noch nicht alles. Daß ich allein bin, hast du richtig bemerkt. Es gibt keine Frau, die in meinem Haus Wolle spinnt. Trotzdem zahle ich jedes Jahr zwei Pence Spinnsteuer. Das werde ich nicht mehr tun.«
Auf der breiten Stirn des Vogts erschienen Falten. »Sei nicht unvernünftig.«
»Genauso die Fischsteuer. Ich gehe nicht fischen.«
»Du verstehst das nicht. Es geht nicht darum, ob du es tatsächlich tust. Du erwirbst dir mit der Steuer die Möglichkeit, es zu tun. Genauso ist es mit dem Spinnen.«
»Dann möchte ich die Möglichkeit nicht mehr erwerben. Ich will mir Schafe kaufen, Fischen und Spinnen ist nichts für mich.«
Der Vogt erhob sich und nahm Alan beim Arm. »Du denkst vielleicht, ich bin hart zu dir. Ich weiß, du hegst einen geheimen Groll gegen mich, seit vor vier Jahren der Nachbar verraten hat, daß deine Schwester geheiratet hatte, und wir ein Merchet zur Heiratssteuer verlangt haben von dir, obwohl du der Bruder bist und nicht der Vater. Aber es war kein Vater da, das hast du eingesehen, hoffe ich. Ich bin es nicht, der Steuern von
Weitere Kostenlose Bücher