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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Waldglas herstellen, das preiswerter war als das teure Barillaglas. Fand sich keine passende Linse, ging Elias zu mittlerer Stärke über. Erst zum Schluß versuchte er es mit dem dicken Barillaglas, für dessen Herstellung die Glashütten aus Alicante Asche von Meerespflanzen einkaufen mußten, was sie sich teuer bezahlen ließen. Es war anzunehmen, daß er auch für Latimer zunächst dünne Linsen geschliffen hatte. Zu |17| Anfang sei er nahe am Erfolg gewesen, hatte Elias gesagt. Dünne Linsen halfen nicht richtig, aber doch ein wenig. Die mittleren halfen gar nicht, und nun, während Elias sich den dicken näherte, wurde Latimers Sicht wieder besser. Was hatte das zu bedeuten? Wie konnten sowohl dünne als auch dicke Linsen Latimer helfen?
    Dünne Linsen. Und dicke Linsen. Beide wirkten.
    Catherine packte eine grüne Waldglasscheibe aus. Sie hielt sie sich vor die Augen. Etwas trieb sie, das Glas mit der Zunge zu berühren. Sie zögerte erst, dann leckte sie daran. Obwohl es hart war, schien es die Zunge weich zu empfangen. Blasen und kleine Teilchen waren mit dem Glas erstarrt, unerreichbar im Inneren der Scheibe.
    Sie hielt das Waldglas fest und befreite mit der anderen Hand eine der kostbaren Barillaglasplatten von ihrer Lederhülle. Die gelbe Scheibe war dreimal so dick wie das Waldglas. Es gab nur wenige Beulen. Blasen konnte sie in ihr nicht entdecken.
    War es möglich, zwei Menschen zugleich zu sein? Einer, der gut sah, und einer, der nicht gut sah? Mit jeder Hand hob sie eine der Glasplatten in die Höhe und blickte hindurch: das linke Auge durch grünes Waldglas, das rechte Auge durch Barillaglas. Der Raum verschwamm. Grüne Flämmchen tanzten. Gelbe Tische wölbten sich.
    Das war die Lösung!
    Sie legte die Platten ab, zog die Dose aus ihrem Hemdausschnitt, öffnete sie. Den Brillenrahmen ließ sie zusammengeschoben, wie er war, so daß beide Linsenöffnungen übereinanderlagen und ein einziges Rund ergaben: eine Brille für einen Einäugigen. Neben den Glasplatten stand das Schüsselchen mit Kreidewasser, das Elias verwendet hatte. Sie legte den Brillenrahmen auf die grüne Scheibe, schob ihn umher, bis durch das Loch eine Stelle zu sehen war, die keine Blasen und nur wenige Einschlüsse enthielt. Catherine tunkte den Griffel in das Wasser ein und fuhr mit ihm die runde Fassung entlang. Wo das Nietgelenk aus der Kreisbahn ausbrach, |18| zeichnete sie nichts; die Linse brauchte keinen Höcker. Sie setzte die Markierung auf der anderen Seite der Gelenkausbuchtung fort, bis sich Anfang und Ende des Kreidekreises trafen. Die erste Linse.
    Bedächtig legte sie ihre Schablone auf das gelbe Barillaglas und zeichnete auch darauf einen Kreis. Die zweite Linse.
    Talglichtfunken zuckten auf den Scheiben. Catherine glitt mit der Spitze des kleinen Fingers über das Glas. Sie stand langsam auf, wie im Traum. Holte sich das Trenneisen.
    Auf dem Burghof sah sie um sich. Knechte, Mägde und Bewaffnete gingen ihrem Tagewerk nach. In welchem der Häuser befand sich die Küche? Sie zählte die Schornsteine. Vier. Und zwei davon auf demselben Haus, die einzigen, die Rauch spien. Jenes gemauerte, einstöckige Gebäude mußte das Küchenhaus sein.
    Sie mochten keine Fremden. Es würde das beste sein, nicht als Fremde zu erscheinen. Catherine steuerte auf die Tür zu und trat unaufgefordert ein. Fauliger Geruch schlug ihr entgegen. Zwei Frauen und ein Mann hantierten mit stiefelgroßen Fischleibern. Catherine beachtete sie nicht. Die Feuerstelle war nicht zu verfehlen. Ohne ein Wort kauerte sie sich nieder und hielt das Trenneisen über die Flammen.
    Im Kessel, der an Ketten über dem Feuer hing, brodelte Wasser. Der Bronzebauch gab dazu einen hohen, wimmernden Ton ab.
    »Wer ist das?« raunte eine Frauenstimme hinter ihr.
    »Nie gesehen.«
    »Sag mal«, sagte die Stimme lauter, »was machst du da mit dem Schürhaken?«
    Catherine schwieg.
    »Hörst du nicht? Ich habe dich was gefragt.«
    »Das ist kein Schürhaken.«
    »Willst du mich für dumm verkaufen?«
    Schweigen. Das Trenneisen qualmte.
    »Was suchst du hier?«
    Die Spitze des Trenneisens leuchtete in tiefem Rot.
    |19| »Ich glaube, die macht sich über mich lustig. He, bist du taub?«
    Catherine erhob sich und ging mit gesenktem Blick zu Tür. »Stehengeblieben!«
    Sie begann zu laufen. Auf dem Hof stolperte sie, fing sich, stieß die Tür zum Turm auf und warf sie hinter sich zu. Heftig atmend lehnte sie sich dagegen. Was wollten sie von ihr? Warum war hier jeder

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