Die Bruderschaft Christi
nickte.
»Ich werde morgen einen Zeichner zu Ihnen schicken, damit wir von dem kleineren, den Sie Boxer nannten, ein Phantombild anfertigen können. In der Nacht postieren wir einen Streifenwagen im Hof.«
»Aber ich dachte, die kommen nicht mehr wieder«, brauste sie auf.
»Nein, das mit Sicherheit nicht, aber ich denke, wenn wir in Ihrer Nähe bleiben, dann haben Sie und Ihr Junge heute eine ruhigere Nacht.«
Dankbar schaute die Frau auf. Es klopfte an der Tür.
»Ja«, sagte Bukowski.
Der Polizeioberrat streckte den Kopf herein. »Können wir kurz miteinander reden?«
Bukowski nickte und ging in den Flur. Leise schloss er die Tür zum Wohnzimmer.
»Die Kollegen haben im Fluchtwagen Fingerabdrücke gesichert. Das BKA hat einen Treffer. Es handelt sich um den Daumenabdruck eines gewissen Marcel Mardin, ein Franzose. Er war vor ein paar Jahren in Autoschiebereien mit Luxuskarossen verwickelt und wird wegen schwerem Raub gesucht. In Saarlouis hat er einem albanischen Autohändler ins Bein geschossen, um an die Safekombination des Mannes heranzukommen. Dann hat er ihn ausgeraubt.«
»Haben wir ein Foto?«
Der Polizeioberrat nickte und reichte Bukowski einen Faxausdruck. Bukowski bedankte sich und betrat erneut das Wohnzimmer.
»Kann es sich bei dem Komplizen des Narbigen um diesen Mann gehandelt haben?«, fragte er die junge Frau und reichte ihr das Fax.
Sie warf einen langen Blick darauf. »Ja, das war er, er hat die Haare ganz kurz geschoren, aber ich bin mir sicher, das war der Kerl.«
»Fabrizio Santini und Marcel Mardin«, murmelte Bukowski leise.
Gentilly, Frankreich …
Der Vorort von Paris wirkte an diesem wolkenverhangenen und regnerischen Abend schmutzig und trist. Jean und Yaara hatten die Station Gentilly rechtzeitig erreicht. Paul, ein Kollege und Freund Jeans, hatte sie dort erwartet. Paul war nach seinem Studium in Paris geblieben und hatte an der Sorbonne an einigen Forschungsprojekten mitgewirkt. Er kannte Professor Molière persönlich.
»Er ist ein wenig eigenbrötlerisch geworden und empfängt nur selten Besuch«, warnte er seine Begleiter vor.
»Deswegen haben wir dich ja bei uns«, antwortete Jean. »Du wirst den alten Kauz schon geradebiegen.«
Paul lächelte. Professor Molière wohnte zurückgezogen in einem Mehrfamilienhaus in der Rue Robert Marchand. Paul parkte seinen Fiat vor dem Gebäude und stieg zuerst aus.
»Lasst mich zuerst einmal klingeln, ich rede kurz mit ihm.«
Paul verschwand im Haus. Nach einigen Minuten kehrte er wieder zurück und winkte Jean und Yaara zu sich.
Jean seufzte. »Ich glaube, der Professor ist bereit für einen Besuch.«
Yaara nickte. »Das wird eine lange Nacht, wenn er so ist, wie ich es mir vorstelle.«
Jean runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Ältere Leute, die sehr zurückgezogen leben, nutzen es aus und werden redselig, wenn sie einmal Besuch haben. Vor allem, wenn es um Dinge geht, die sie berühren.«
39
Rom, Biblioteca Vaticana …
Pater Leonardo hatte gewartet, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. Aber nicht, ohne dem Mönch mitzuteilen, dass er vermutlich die ganze Nacht in den Katakomben verbringen musste, schließlich hatte ihm der Kardinalpräfekt einen wichtigen Auftrag gegeben. Der Mönch hatte nur ein paar unverständliche Worte gemurrt, ehe er die Kellerräume verließ. Die Bibliothek stand für Geistliche Tag und Nacht offen und wurde von den Franziskanermönchen und einem Teil der Schweizergarde rund um die Uhr bewacht. Der Pater begann, die Ordner zu studieren. Die Systematik war schnell durchschaut. Die einzelnen Dokumente waren unter einem Überbegriff zusammengefasst. Kirchliche Liegenschaften, Beschlüsse des Heiligen Stuhls, Personalangelegenheiten, Hirtenbriefe an die Gemeinden in aller Welt. Pater Leonardo stellte den ersten Ordner zur Seite. Der zweite Ordner war schon interessanter. Darin ging es um kirchliche Zusammenschlüsse und Organisationen. Er stieß auf Aufzeichnungen über den Geheimbund der Illuminaten, der Prieuré de Sion, den Johanniterorden, den Rosenkreuzern und der Bruderschaft des Grabes Christi. Auch vom sagenumwobenen Bund mit dem Namen Opus Dei war die Rede. Pater Leonardo erhob sich und betrat den geräumigen Nebenraum, der mit einer I gekennzeichnet war. Alle Schränke waren nummeriert. Er suchte den Schrank mit der Nummer acht und öffnete ihn. In den Regalen standen wiederum Bücher, Akten und Sammelordner, die mit Buchstaben und römischen
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