Die Bruderschaft Christi
Aufgabe bewältigt.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, antwortete der Grauhaarige.
38
Rom, Biblioteca Vaticana …
Pater Leonardo hatte sich nach der erneuten Zurechtweisung durch den Kardinalpräfekten wieder gefangen, obwohl er ihm gerne seine Meinung gesagt hätte. Doch in der Kirche gab es keinen Widerspruch. Nur durch eine strikte Einhaltung des hierarchischen Gefüges konnte diese riesige Institution am Leben erhalten werden.
Den gestrigen Tag hatte Pater Leonardo mit Studien zugebracht. Das Internet war auch für ihn eine nie enden wollende Quelle des Wissens. Wenn man auch dem einen oder anderen Eintrag nicht trauen durfte, so fand man darin schnell Wissenswertes und Hilfreiches. Er war auf über dreitausend Verzeichnisse gestoßen, in denen der jüdische Professor erwähnt wurde. So hatte er erfahren, dass Raful an den ersten Ausgrabungen in Qumran beteiligt gewesen war, bevor die École unter der Leitung von Pater Roland de Vaux die weiteren Arbeiten übernommen hatte. Professor Chaim Raful, ein Kirchenkritiker, wie es viele gab. Was sollte ausgerechnet diesen Mann so gefährlich machen?
Die Appliken als alleinigen Beweis für die Verbrennung des Leichnams von Jesus Christus zu benutzen, würde nicht ausreichen. Sie konnten Fälschungen oder einfach nur Abbildungen einer Hinrichtungsszene sein, die durch Chaim Raful falsch gedeutet wurden. Vor einigen Jahren hatte ein amerikanischer Archäologe das geheime Buch der Prophezeiungen enthüllt, angebliche Vorhersagen des Johannes von Jerusalem, eines der ersten Tempelritter im Heiligen Land. Doch das angepriesene Buch wurde ein Flop. Kaum noch jemand interessierte sich dafür.
Pater Leonardo hatte das Studium der Theologie mit Auszeichnungen bestanden, doch für die Geschichte außerhalb der Kirche hatte er sich nie sonderlich interessiert. Wer seinen Blick ausschließlich in die Vergangenheit richtet, der hat kein Auge mehr für die Zukunft, hatte sein damaliger Mentor zu ihm gesagt – und daran hatte er sich gehalten. Er hatte die Zukunft im Auge und nicht die Vergangenheit. Doch seit dem gestrigen Tag traute er dem Frieden nicht mehr. Er hatte viel über Chaim Raful und über die Tempelritter erfahren. Und offenbar hatte Chaim Raful tatsächlich einen der ersten neun Ritter gefunden, wenngleich der Name des Ritters nirgends verzeichnet war.
Pater Leonardo betrat die riesige Halle. Regale, gespickt mit Büchern, reichten bis zur Decke. Rollleitern wurden auf Gleisbahnen geschoben, so dass auch die oberste Reihe, direkt unter dem riesigen Deckenfresko, erreicht werden konnte. Weit über eine Million Bücher, Schriften und Karten umfasste die Bibliothek. Doch auch interne Kirchenpapiere wurden hier gelagert. Jedoch waren sie nur jenen zugänglich, die ein hohes Kirchenamt bekleideten oder mit einer ausreichenden Vollmacht ausgestattet waren. Und der Kardinalpräfekt hatte ihm höchstpersönlich die arbitratus generalis erteilt.
Inmitten der hohen Halle gab es einen Empfangspult, hinter dem ein Pater im braunen Mönchsgewand saß und in ein Hochglanzmagazin über die Segelschifffahrt vertieft war.
»Seid gegrüßt, Bruder«, sagte Pater Leonardo und blieb lächelnd vor dem Pult stehen. Der Mönch blickte nur kurz auf.
»Bitte?«, knurrte er kurz angebunden.
»Ich bin Pater Leonardo von der Glaubenskongregation …«
Eilends legte der Mönch seine Zeitschrift beiseite und erhob sich. »Ich weiß schon, wir haben telefoniert«, fiel er Pater Leonardo ins Wort. »Folge mir, Bruder!«
Der Mönch geleitete Pater Leonardo an eine Wendeltreppe aus schmiedeeisernem Metall, die am Ende der Halle in eine Krypta führte. Unten angekommen, versperrte eine massive Eisentür den Weg. Der Mönch fasste an seinen Gürtel und zog einen modernen Sicherheitsschlüssel hervor. Er steckte den Schlüssel ins Schloss, das sich neben der Tür befand, und ein rotes Lämpchen sprang auf Grün um. Surrend öffnete sich die Tür.
»Hier treffen die Jahrhunderte aufeinander«, schmunzelte Pater Leonardo.
»Es ist eigentlich ein moderner Tresor«, antwortete der Mönch. »Die Akten hier drinnen unterliegen einem besonderen Schutz. Aber das Büro des Bibliothekars hat mich angewiesen, dich einzulassen, Bruder. Allerdings dürfen keine Akten und Aufzeichnungen diese Mauern verlassen. Selbstverständlich ist es auch nicht erlaubt, Reproduktionen aller Art sowie Notizen herzustellen. Der Augenschein muss genügen.«
Pater Leonardo lächelte. »Das ist also das viel beschriebene
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