Die Bruderschaft Christi
abgeholt. Ein junger Mann mit kurzen, blonden Haaren und einem dunklen Anzug erwartete ihn in der Ankunftshalle. Als hoher Kirchenvertreter aus Rom und Angehöriger der Glaubenskongregation wurde ihm die notwendige Aufmerksamkeit entgegengebracht. Ein dunkler Audi mit Chauffeur stand auf dem Parkplatz, direkt vor der Halle.
»Ich stehe zu Ihren Diensten«, begrüßte Bruder Markus seinen hohen Gast aus der Heiligen Stadt.
Pater Leonardo lächelte freundlich. Der Flug hatte ihn etwas ermüdet.
»Sie sind vom Kardinal gesandt?«
»Richtig«, bestätigte der junge Kirchenmann. »Er lässt Sie grüßen und hofft auf ein gemeinsames Abendessen in den nächsten Tagen. Er ist derzeit nicht in München und weilt in dringenden Amtsgeschäften in Rumänien. Ich bin Ihnen für Ihren Aufenthalt persönlich zugeteilt. Falls Sie Fragen haben oder Wünsche, ich stehe zu Diensten.«
Pater Leonardo tätschelte dem jungen Kirchenmann sanft die Schulter. »Versprechen Sie niemals, was Sie nicht halten können. Sie arbeiten im Bistum?«
»Ich bin noch im Studium. Im Priesterseminar Sankt Johannes der Täufer und derzeit im Praktikum. Ich arbeite im Sekretariat des Kardinals.«
»Schön«, antwortete Pater Leonardo. »Freuen Sie sich schon auf das angestrebte Amt des Priesters?«
»Ich … es ist … ich weiß noch nicht, wohin mich mein Weg führen wird.«
»Wer weiß das schon in jungen Jahren.«
Bruder Markus fand den gebräunten Mittdreißiger aus Rom sympathisch. Er hatte einen alten und in Ehren ergrauten Kirchenmann aus dem Vatikan erwartet, doch nun stand ein freundlicher, dynamischer und durchaus sportlicher Süditaliener vor ihm, der nicht nur akzentfrei die deutsche Sprache beherrschte, sondern überdies auch noch einen verständnisvollen und angenehmen Eindruck machte.
»Es ist manchmal nicht einfach«, gestand Bruder Markus. »Oft weiß man nicht, was Wahrheit oder Lüge ist. Manchmal sind die Dinge so undurchsichtig, die Pfade so verschlungen.«
Pater Leonardo lächelte. Er selbst kannte diesen Widerstreit zwischen dem weltlichen Leben und dem göttlichen Wirken nur zu gut. Gerade in diesen Tagen waren wieder alle Zweifel wie Erde in einem reißenden Fluss an die Oberfläche gespült worden. Er schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Junger Freund, es ist kein leichter Weg, für den Sie sich entschieden haben. Es ist ein Weg voller Unbill und Hindernisse, doch eines seien Sie sich immer gewiss; es gibt tausende von Wahrheiten, man muss für sich selbst entscheiden, an welche Wahrheit man glauben will.«
Nachdem Pater Leonardo seinen Koffer abgeholt hatte, eilte der Chauffeur mit einem Kofferkuli herbei.
»Wir haben für Sie ein Zimmer im Kardinal-Döpfner-Haus in Freising hergerichtet«, sagte Bruder Markus.
»Haben Sie von dem Mord im Berchtesgadener Land gehört? Dort wurde ein Mann gekreuzigt und schwer misshandelt.«
Bruder Markus zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß, dass im Kloster Ettal vor wenigen Wochen ein Pater getötet worden ist. Meinen Sie das?«
Der Pater blieb stehen. Die Nachricht traf ihn wie ein Peitschenhieb. »Ettal?«, murmelte er.
»Ja, hinter den Klostermauern. Außerdem wurde in einer nahen Kirche ein Messdiener ermordet. Man nimmt an, er hat ein paar Diebe überrascht, die sakrale Gegenstände stehlen wollten.«
»Was war mit dem Pater in Ettal?«
»Ich weiß es nicht genau.«
Der Chauffeur öffnete die Fondtür. Pater Leonardo ließ sich mit einem Seufzer auf dem Sitz nieder.
»Sie werden müde sein, wir fahren Sie nach Freising, dort können Sie sich erst einmal …«
»Das Kloster, ist das weit von hier entfernt?«
»Hundert Kilometer«, antwortete der Chauffeur.
»Dann fahren wir nach Ettal, ausruhen kann ich mich auch später noch«, beschloss Pater Leonardo entschieden.
Gentilly, Pension Tissot, Frankreich …
»Es ist Wahnsinn«, sagte Yaara und blätterte die nächste Seite um. »Dieses Manuskript ist außerordentlich gut recherchiert. All seine Behauptungen sind durch Indizien untermauert. Er war zu Ausgrabungen in Jerusalem, in Frankreich, auf Zypern und sogar in Neuschottland dabei. Er hat alle seine Erkenntnisse mindestens zweifach verifiziert. Wenn er das Buch veröffentlicht, dann wird es vor allem in Kirchenkreisen große Verwirrung stiften.«
Jean Colombare saß am Fenster des kleinen Zimmers und blickte nachdenklich in die dunklen Wolken. Madame Dubarry hatte Kaffee und Sahnetörtchen auf den Zimmern servieren lassen. Yaara hatte großen
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